Kathi’s Blog

Hallo ihr Lieben da draußen, ich habe vor hier einen Blog über meine Geschichte für die „Kinderhilfe“ zu starten und wollte mich dafür mal etwas genauer vorstellen. 🙂

Mein Name ist Kathi, eigentlich Katharina, aber so nennt mich kaum jemand. (Nur meine Mutter, wenn sie echt sauer ist 😀 ) Ich bin mittlerweile 19 Jahre alt und bin seit nun fast 7 Jahren mit dem Thema „Krebs“ konfrontiert.

Ich bin selbst 2011 an Knochenkrebs erkrankt und habe bereits zwei Rezidive hinter mir. Den letzten Durchgang habe ich grade erst abgeschlossen.

Dadurch hab ich natürlich so einiges erlebt und durchlebt und würde diese Erfahrungen und Gefühle gerne mit allen teilen, denen es helfen könnte. Ich freue mich, wenn dieser Blog nicht nur von Betroffenen gelesen wird, sondern auch von Interessierten und Menschen, die vielleicht nur entfernt damit zu tun haben.

Ich habe über diese ganze Zeit – zwangsweise – eine Menge gelernt, natürlich nicht nur Medizinisches, sondern auch sehr viel über das Leben und die kleinen Momente, die oft viel, viel wichtiger sind als alles andere.

Ich hoffe, dass ich, selbst wenn es nicht viele sind, ein paar Menschen mit dem, was ich schreibe, erreiche und ihnen ein bisschen Hoffnung und ein paar Tipps und Tricks, ein paar Methoden geben kann, wie man besser durch das Leben als Krebspatient oder Angehöriger kommt und trotz dem ganzen Mist immer noch lachen kann. Ich werde einfach von Anfang an meine Geschichte erzählen, meine Erfahrungen und alles was dazu gehört, sei es gut oder auch schlecht.

Ich kann jetzt schon sagen, dass ich trotzdem für vieles sehr dankbar war, während der ganzen Zeit, vor allem dafür, dass sich meine Sichtweise auf viele Dinge sehr geändert hat und ich die kleinsten Dinge des Alltags wertschätzen kann.

Ich wünsche Euch viel Spaß beim Lesen!

Eure Kathi

Liebe Spenderinnen und Spender,

Dank Eurer Hilfe konnten Kathi und Familie in den USA reisen und hatten dort das von Deutschland aus arrangierte Treffen mit einem der weltweit anerkanntesten Sarkom-Experten am MD Anderson Cancer Center in Houston, Texas.

Kurze Zeit später kamen noch neue Ergebnisse von der molekularen Analyse von Kathi’s Tumor, die an der Universität in Heidelberg durchgeführt werden. Das Gespraech am MD Anderson Cancer Center ist sehr informativ verlaufen, und Kathi und ihre Mutter haben einen tieferen Einblick in die möglichen Behandlungsmethoden in den USA gewonnen. Außerdem haben die Ärzte zugesichert, auch weiterhin an der Planung von Behandlungen teilzunehmen – und, falls das in näherer Zukunft die beste Therapie sei, Kathi auch in klinische Studien am MD Anderson Cancer Center aufzunehmen.

Die molekulare Analyse von Kathi’s Tumor hat weiterhin einen möglichen neuen Angriffspunkt für eine Behandlung aufgezeigt, und das nun internationale Ärzteteam wird in den nächsten Wochen darüber beraten, wie diese neue Information am besten in eine Behandlung umgesetzt werden kann. Also: Neue Kontakte und neue mögliche Ansätze, die für Kathi sehr wichtig werden können. All das ist nur aufgrund Eurer großzügigen Spenden möglich gewesen.

Wir werden euch natürlich weiterhin über die Entwicklungen informieren.

Vielen Dank für Eure Unterstützung und Anteilnahme, sagen Kathi und ihre Familie und Euer KINDERHILFE e.V. Team

Wau 15.000 € sind für Kathis Kampf gegen den Krebs bereits finanziert und Kathi sagt Danke an alle Unterstützer per Videobotschaft. Unsere Bloggerin möchte kurz bevor sie in die USA fliegt, sich bei allen Unterstützern per Videobotschaft bedanken.

Deutsche Welle TV hat am 22.02.2018 einen Bericht über unsere Bloggerin Katharina mit dem Titel „Die gestohlene Jugend“ gemacht.

DW Beitrag in Deutsch
DW video clip in English

Teil 1 – 2011

Die Zeit als Krebspatientin startete für mich im Juni 2011. Es war, um es genau zu sagen, der 03.06.2011, an dem ich die endgültige Diagnose bekam. Schwarz auf weiß stand es auf dem Pathologie-Befund.

Ich kann mich, ehrlich gesagt, nicht mehr genau an den Tag erinnern. Ich weiß, dass es schrecklich war, wir haben alle viel geweint, denn plötzlich war ein Familienteil krebskrank. KREBS – was war das überhaupt für ein Wort und was bedeutete das, was steckt alles dahinter? Das wusste ich zu dem Zeitpunkt noch nicht, das wussten wir alle nicht, auch nicht meine Mutter oder mein Vater, geschweige denn meine kleine Schwester.

Denn bis man selber an so einer schweren, lebensbedrohlichen Krankheit leidet, geht man niemals davon aus, dass man selbst einmal davon betroffen sein könnte.

Man beschäftigt sich also auch nicht freiwillig damit.

Dieses Phänomen ist mir erst im Nachhinein bewusst geworden. Auch wenn ich früher von Menschen erzählt bekommen habe, dass sie zum Beispiel Familienangehörige haben, einen Opa oder eine Oma, die solch eine Krankheit haben, dann hat es einem schrecklich Leid getan und man fand es furchtbar, man wusste ja auch nur, dass diese Krankheit lebensbedrohlich ist, aber komischerweise waren diese Leute eine eigene Gruppe und zu so einer Gruppe hat man sich automatisch nicht dazu gezählt, weil man völlig ungerechtfertigt dieses vermeintliche Wissen hatte, dass man selber nicht zu dieser Gruppe gehört und deshalb auch nie dazu gehören wird.

Aber dieses Denken ist wahrscheinlich normal, sonst hätten wir alle viel zu viel Angst davor.

Ich war damals 12 Jahre alt, ich wusste also wirklich überhaupt nichts über diese Erkrankung, erst recht wusste ich nicht, was ein Ewing-Sarkom ist. So heißt nämlich mein Tumor, es ist ein Knochentumor, der bei mir in der Beckenschaufel lokalisiert war, wohl eine typische Stelle für diese Art von Krebs.

Ich hatte bereits über ein Jahr lang Schmerzen an dieser Stelle. Viele werden sich fragen, warum ich bzw. meine Eltern so lange gewartet haben. Das haben wir nicht. Wir sind bereits früh zu einem Arzt gegangen, denn meine Schmerzen waren sehr merkwürdig: Circa eine Woche lang hatte ich starke Schmerzen im Bereich des linken Beckens, es fühlte sich an, als wäre ein Nerv eingeklemmt. Nach dieser Woche war dieser Schmerz plötzlich komplett verschwunden und ich hatte drei Wochen meine Ruhe, bis alles wieder von vorne losging. Während dieser „Schmerzphasen“ hatte ich auch jedes Mal leicht erhöhte Temperatur. Es war also alles etwas untypisch für einen eingeklemmten Nerven. Natürlich sind wir nicht gleich beim ersten Auftreten zum Arzt gelaufen, sondern haben erstmal abgewartet, ob es bei dem einen Mal bleibt oder wiederkommt. Man denkt ja auch im Leben nicht daran, dass es gleich so eine Krankheit ist. Sollte man vielleicht in Zukunft, dann lässt man sich wenigstens nicht so lange hinhalten, das wurde ich nämlich, weil der Arzt, zu dem ich erst ging, mich nicht wirklich ernst nahm. Er zog es also auch gar nicht erst in Betracht, mich richtig zu untersuchen und sagte mir, ich würde simulieren und solle mich nicht so anstellen. Es seien wohl maximal Wachstumsschmerzen, knallte er mir und meiner Mutter ins Gesicht und drückte mir Ibuprofen in die Hand.

Natürlich wurden die Schmerzen dadurch auch nicht besser, im Gegenteil, bald habe ich mich während meiner Schmerzphasen kaum noch bewegt, lag nur im Bett und bin auch nicht mehr zur Schule gegangen, weil es so weh tat und durch nichts gelindert werden konnte.

Irgendwann kam ich über meinen Kinderarzt, an den ich mich dann gewendet habe, in die Charité. Er überwies mich an die Kinder-Rheumatologie, weil sein Verdacht in diese Richtung ging. Erst der Arzt dort veranlasste das erste bildgebende Verfahren, ein MRT. Anschließend folgten Biopsien. In Operationen wurden Proben von dem entnommen, was die Ärzte auf den Bildern des MRTs in meinem Becken sahen, was uns ein paar Tage später, schlussendlich am 3. Juni 2011, das tolle Ergebnis brachte: Ein Ewing-Sarkom.

Teil 2 – Die Anfänge auf der Krebsstation

Schon kurz nachdem ich die Diagnose bekam, ging auch die erste Chemotherapie los. Ich hatte nicht wirklich viel Zeit, mich darauf einzustellen, was kommt, was im Endeffekt auch besser war, denn so konnte ich mir im Vorhinein gar nicht so viele Gedanken machen, ich wusste ja eh nicht, was auf mich zukam.

Ich weiß trotzdem noch, dass der Moment, in dem wir im Fahrstuhl standen und nach oben in den 4. Stock zur Kinderonkologie fuhren, beängstigend war. Natürlich fragte ich mich, was jetzt alles kommen und passieren würde. Man hatte nur das Wort „Krebs“ im Kopf und alles was ich wusste war, dass es schrecklich werden würde, so hatte man es auf jeden Fall bisher mitbekommen, dass Krebs eine schlimme Krankheit war, bei der man ziemlich leidet. Das war alles.

Bevor alles losging, ist meine Mutter mit mir noch zu einer Freundin von uns gefahren, die Friseurin ist. Ich hatte immer sehr schöne, lange und dicke Haare, aber ich hatte mich dazu entschlossen sie schon einmal bis zum Kinn abzuschneiden, damit es nachher nicht mehr ganz so schmerzhaft wird, wenn die Haare alle ausfallen. Ich war komischerweise gar nicht mal so traurig, als die Haare ab waren. Ich glaube ich war zu der Zeit in einer Art Trance, ich habe alles gar nicht so genau mitbekommen, aber das war ganz gut, denke ich.

Es war ein Sonntag, an dem ich auf die Station aufgenommen wurde, der 05. Juni 2011.

Als ich auf die Station kam, bemerkte ich als erstes den seltsamen Geruch des Krankenhauses, er machte mir Angst, ich fühlte mich nicht wohl und war aufgeregt. Zum Glück kümmerte sich ziemlich schnell eine sehr liebe Schwester um uns, wodurch ich mich wenigstens nicht ganz so verloren gefühlt habe. Meine Mutter war auch dabei und ich wusste, wie aufgeregt und traurig sie war, aber sie hat versucht, sich nichts anmerken zu lassen. Ich war sehr froh, dass sie da war. Ich kam in das Zimmer ganz am Anfang der Station, in die Nummer 14. Es war ein Doppelzimmer, in dem schon ein kleiner Junge war. Ich setzte mich ohne jegliche Vorahnung auf mein Bett und wartete, bis alles losging.

Die Therapie startete nicht sofort, denn ich brauchte noch einen speziellen Zugang, über den in Zukunft immer die Chemo laufen konnte. Hätte man das über normale Zugänge an der Hand oder am Arm gemacht, wären dort die Gefäße und das umliegende Gewebe viel zu schnell von dem Giftzeug kaputt gegangen.

Deswegen habe ich einen Zentralen Venenkatheter am Hals bekommen, der sogenannte Broviac-Katheter. Das Ding hat mich von Anfang an genervt, weil diese Schläuche immer aus der Brust rausgeschaut haben und man sich damit nicht richtig duschen konnte. Aber was muss, das muss. Also habe ich versucht, mich so schnell wie möglich damit abzufinden und habe den drei Schenkeln, in die sich der Schlauch am Ende aufteilte, um dort verschiedene Infusionen gleichzeitig anschließen zu können, verschiedene Namen gegeben. Dadurch konnte ich besser akzeptieren, dass sie nun zu mir gehörten und aus einem wichtigen Grund immer an mir rumbaumeln mussten. Ich weiß nicht warum, aber ich habe sie Hans, Franz und Berti genannt. Ich glaube meine beste Freundin kam damals auf die Idee, fragt mich nicht wieso!

Bis zum Start der 1. Chemo hat es dann noch etwas gedauert. Nach der OP wurde erstmal noch eine Weile gespült, ich habe also einfach nur Infusion bekommen, um die Nieren zu spülen, da diese ja in Zukunft genug belastet wurden. Uns fiel dann aber auf, dass plötzlich mein Hals ganz dick wurde. Mein Katheter war nämlich kaputt und die ganze Infusion ging somit daneben ins umliegende Gewebe. Zum Glück lief zu der Zeit noch keine Chemo, die hätte mir dort schön alles kaputt gemacht.

Also habe ich gleich nochmal einen neuen Katheter bekommen, der war dann auch funktionsfähig, sodass bald mit der Chemo gestartet werden konnte.

Es war dann also der 11. Juni 2011, an dem ich dort oben mit meiner gesamten Therapie startete. Meine Mutter und ich haben vorher natürlich mit dem Oberarzt gesprochen, er hat uns über alle möglichen Nebenwirkungen aufgeklärt und uns gesagt, wie die nächsten Monate ungefähr aussehen werden und auf welche Dinge wir achten müssen. Es war eine Menge, aber mit der Zeit wurde das alles Alltag und selbstverständlich.

Bevor die Chemo dann endgültig gestartet wurde, wurde ich noch in ein anderes Zimmer geschoben, die Nummer 11, ein Einzelzimmer in dem ich etwas mehr Ruhe hatte. Darüber war ich sehr froh. Ich wusste ja auch nicht, wie ich mir in den nächsten Tagen die Seele aus dem Leib kotzen würde, deswegen wollte ich auch, dass das so wenig Menschen wie möglich mitbekommen.

Als der erste Beutel angehängt wurde, war mir sehr mulmig zumute, ich war gespannt, wie die Therapie wohl wirken würde, wie ich die Wirkung überhaupt wahrnehme und ob es auch noch andere Nebenwirkungen gibt, als bloß die Übelkeit.

Ich ging aber, soweit das ging, erstmal positiv an die Sache ran und versuchte, meinen Kopf freizubekommen, damit es mir so lange wie möglich so gut wie möglich ging. Das hat aber nicht so ganz geholfen…

Es war fast unheimlich zu beobachten, wie es mir von Minute zu Minute schlechter ging, sobald der Schlauch geöffnet und die Chemo, Tropfen für Tropfen, in mich hineinlief.

Ich nenne es bis heute das „Chemo-Gefühl“, ein ganz seltsames, unbeschreibliches und sehr unangenehmes Gefühl, das kam, wenn die Chemo eine Weile lief. Es war eine Mischung aus Übelkeit, Schwäche, Kopfschmerzen und Müdigkeit, einfach ein ekliges Gefühl, dass auch durch kein Medikament wirklich gelindert werden konnte. Die Übelkeit war aber das Hauptproblem bei mir, sie war so stark, dass ich unter der Therapie praktisch gar nichts gegessen habe.

Drei Tage lang bekam ich die Chemotherapeutika, danach war noch eine zweitägige Spülung dran, bei der ich dauerhaft Infusion bekam. Nach den fünf Tagen war ein Chemo-„Block“ geschafft. Insgesamt waren 14 Blöcke bei mir geplant, 6 vor der großen OP und acht noch einmal nach der Operation, bei der mein Tumor entfernt werden sollte.

Ich war froh, als der erste Block geschafft war und freute mich unglaublich auf zuhause. Dort konnte ich wenigstens wieder etwas besser schlafen, ohne das ganze Gepiepse der Infusomaten und die ganzen Schwestern und Ärzte um einen herum. Es ist wahnsinnig viel los im Krankenhaus und das ist zusätzlich zu der Therapie ganz schön anstrengend. Auch meine Mutter war nach den Tagen natürlich total platt, sie hat nämlich die ganze Zeit mit mir zusammen im Krankenhaus verbracht und auch dort geschlafen. Und wie man sich denken kann, sind die sogenannten „Elternliegen“ dort auch nicht der pure Luxus… 

Ich bekam noch alle nötigen Medikamente gegen Übelkeit usw. mit nach Hause und dann konnte ich endlich gehen.

Wir waren wirklich sehr froh wieder zuhause zu sein, meine Schwester hatten wir in der Zeit auch nicht viel gesehen.

Nun wusste ich also in etwa, wie das Krankenhausleben aussieht und genoss die Zeit, die ich nun erstmal nicht dort verbringen musste. Lange war es ja eh nicht…

Teil 3 – Nach der ersten Chemo

Ich war zwar nach dem ersten Zyklus meiner Therapie unglaublich schwach und erschöpft, aber ich war auch unglaublich froh, endlich wieder nach Hause zu kommen. Am allermeisten freute ich mich auf mein Bett und meine gewohnte Umgebung und natürlich auch sehr auf meine kleine Schwester. Sie war zu dem Zeitpunkt auch erst 9 Jahre alt, also noch viel weniger dazu in der Lage, alles zu begreifen, als ich. Das konnten ja nicht einmal meine Eltern, also wie sollte sie es tun und von dem einen auf den anderen Moment war auch ihr Leben ganz anders, ohne Vorwarnung und das tat mir schrecklich leid. Und trotzdem musste es sein, obwohl ich es auf keinen Fall so wollte.

Erst, wenn ich diese Zeilen hier schreibe und alles noch einmal rekapituliere, wird mir wieder bewusst, wir sehr so eine Krankheit von jetzt auf gleich alles ändert und zwar nicht nur für mich, sondern auch für mein ganzes Umfeld. Und dann bekommt man manchmal Schuldgefühle, auch wenn man ganz genau weiß, dass man selbst auch nicht im Ansatz etwas dafür kann. Aber für alle in meinem Umfeld ändert sich etwas, meine Schwester hatte plötzlich ihre Mama nicht mehr, die ihr genauso zustand, wie mir, alle haben Angst um mich und das wollte ich nie. Ich wollte nicht, dass andere Menschen meinetwegen leiden, aber ich musste es akzeptieren. Umso glücklicher war ich zu der Zeit, dass mich alle, nicht nur meine Familie, sondern auch alle meine Freunde und meine ganze Klasse, sehr unterstützen. Meine beste Freundin ging auch mit mir in eine Klasse. Wir kennen uns schon seit der Grundschule und waren schon immer wie Pech & Schwefel. Ich weiß noch, dass sie mir damals, zusammen mit ihrer Mutter, einen „Chemokalender“ gebastelt hat. Dieser Kalender beinhaltete 12 Päckchen mit kleinen Geschenken und nach jedem Chemo-Block durfte ich als Belohnung eins öffnen. Das sollte ein kleiner Ansporn sein, jeden Block durchzuhalten und das war es auch, ein riesen Ansporn, denn ich konnte es immer kaum erwarten, die kleinen Päckchen zu öffnen, dafür war ich einfach viel zu neugierig!

Noch heute bin ich sehr dankbar für dieses tolle Geschenk und werde das niemals vergessen.

Ich versuchte mich zuhause etwas zu erholen in der Zwischenzeit, aber ich musste schon schnell nach meiner Entlassung wieder zur Blutkontrolle ins Krankenhaus, juhu… Dort musste ich alle zwei bis drei Tage hin, weil nach einiger Zeit die Blutwerte sehr schlecht wurden und das ziemlich gefährlich werden konnte. Wenn ich zum Beispiel zu wenig Thrombozyten hatte, also Blutplättchen, dann konnte es sein, dass ich schneller blute, wenn ich mich verletze und diese Blutung vom Körper nicht mehr alleine gestillt werden kann. Ab einem gewissen Wert brauchte ich eine Transfusion. Und wenn die Abwehrzellen zu schlecht wurden, durfte ich nicht mehr unter Menschen gehen. Öffentliche Verkehrsmittel nutzen oder Veranstaltungen mit vielen Menschen um einen herum, sollte ich generell meiden, einfach um das Risiko einer Infektion zu minimieren, denn sonst könnte man eine Blutvergiftung riskieren und das sollte natürlich auf gar keinen Fall passieren. Bestimmte Lebensmittel, die z.B. Schimmelsporen an sich haben können, durfte ich auch nicht essen. Normalen Menschen macht das nichts aus, aber bei immunschwachen Patienten, wie mir, hätte sich so ein Schimmelpilz ausbreiten können. Und dabei hatte ich oft so Lust auf Erdnüsse – durfte ich aber leider nicht.

Obwohl ich und vor allem auch meine Eltern das alles strengstens so verfolgt haben, habe ich trotzdem, gleich ein paar Tage nach dem ersten Block, Fieber bekommen. Das kann wohl passieren, meinten die Ärzte, denn auch körpereigene Keime können dann so etwas auslösen.

Ich zitterte (wortwörtlich), als meine Temperatur anstieg und ich immer wieder messen musste. Ich wollte auf gar keinen Fall schon wieder auf die Station, ich wollte einfach nur meine freie Zeit zuhause genießen und mich erholen. Ab 38,5°C musste man aber unbedingt kommen und bekam eine Antibiotikatherapie, damit ich keine Blutvergiftung bekam. Ich betete, aber die magische Zahl war schnell erreicht, sodass ich mich mit meiner Mutter auf den Weg machen musste. Was das betrifft war es auch egal, ob es nachts um eins war oder draußen die Welt unterging, ich musste dort antanzen.

Also packten wir schnell die Koffer und es ging wieder in mein geliebtes zweites zuhause….

Teil 4 – Wieder ins Krankenhaus

Ich weinte, als wir wieder da oben standen auf der Station 30. Ich wusste nichtmal genau, was in dem Moment mein Problem war. Ich hatte einfach keine Lust und es war anstrengend, plötzlich so ein spontanes Leben zu haben, in dem man nichts mehr planen konnte und man wirklich nur von Minute zu Minute leben konnte, weil man nicht wusste, was als nächstes wieder kommt. Und dabei hatte ich ja sogar noch meine Mutter, die wirklich immer an meiner Seite war und alles organisierte und für mich übernommen hat.

Ich beruhigte mich aber schnell wieder. Ich hatte schon immer die Gabe, dass ich mich gut und schnell ablenken konnte und mir die positiven Dinge vor Augen halten konnte, auch wenn es in dem Moment nicht so viele gab und es somit eine kleine Herausforderung darstellte.

Aber es hat ja sowieso nichts gebracht, lange darüber nachzudenken und sich in Selbstmitleid zu ertränken, man musste nun eh das machen, was die Ärzte für einen vorgesehen hatten. Und da ich wusste, dass das alles nur gemacht wird, um mir zu helfen, konnte ich leider auch auf niemanden böse sein, außer auf den Krebs, der mir den ganzen Mist eingebrockt hatte.

Das Fieber war halt anstrengend, die ganze Zeit glühte ich so und war in einem Dämmerzustand, aber es war überraschend, wie schnell es mir besser ging, sobald das Antibiotikum in meine Venen lief. Das Fieber sank schnell und am nächsten Tag sah die Welt schon wieder ganz anders aus. Ich musste trotzdem sehr oft und regelmäßig meine Temperatur messen und weiterhin bekam ich alle paar Stunden mein Antibiotikum. Ich musste eine bestimmte Zeit fieberfrei sein, bevor ich wieder nach Hause entlassen werden durfte. Die Zeit bis dahin zog sich ewig, vor allem, weil es mir ja relativ schnell wieder verhältnismäßig gut ging durch die Medikamente und ich mich unfassbar langweilte! Zum Glück gibt es auf der Station eine tolle Erzieherin, die immer viele Angebote zum Basteln usw. hatte, um sich die Zeit zu vertreiben. Das habe ich auch so oft wie möglich genutzt, vorausgesetzt mir ging es soweit okay.

Zwei mal die Woche gab es auch ein Kochprojekt, da konnten wir Kinder raus auf den Flur kommen und alle zusammen die Zutaten schnippeln, „Die Köche“, wie alle sie nur nannten, haben dann alles zu einem leckeren Essen verarbeitet.  Es war eigentlich ein abstraktes Bild, wir Kinder saßen alle mit unseren Infusionsständern dort auf dem Flur an den ganzen Tischen, überall piepste es und lauter Ärzte und Schwestern liefen um uns herum und trotzdem saßen wir dort voller Freude und schnippelten in Ruhe unser Gemüse.   Das war ein tolles Projekt, ich konnte zwar oft nicht teilnehmen, weil es mir häufig nicht gut genug ging, aber ich habe mich immer sehr bemüht, weil es eine tolle Abwechslung und mal etwas anderes war. Außerdem konnte man so mal ein bisschen Kontakt zu anderen Kindern und deren Eltern aufbauen, denn sonst war ja jeder nur in seinem Zimmer und man bekam von den anderen nicht viel mit.

Das war nicht nur gut für mich, sondern auch für meine Mutter, denn sie hatte dann auch jemanden zum quatschen, der sie versteht.

Das war immer das Schöne da oben, alle haben sich einfach verstanden, ohne viele Worte. Einfache Blicke haben oft ausgereicht, um sich gegenseitig etwas zu verstehen zu geben und jeder wusste genau, worum es ging, wenn man von bestimmten Dingen, von Untersuchungen, Nebenwirkungen oder Ähnlichem erzählt hat. Und das Schöne war: Jeder hat sich so für die anderen gefreut, wenn es Fortschritte oder kleine Erfolge gab, wenn eine Untersuchung positive Ergebnisse gebracht hat oder eine Operation gut verlaufen ist. Wir konnten ohne Scham oder große Erklärungen darüber reden, es war Alltag und normal und doch für alle etwas ganz besonderes, wenn mal etwas Gutes berichtet werden konnte.

Die Station und alle, die dazu gehörten, sind schnell zu meiner zweiten Familie geworden. Das war auch nicht verwunderlich, denke ich, dort war ich ja inzwischen mehr, als in meinem richtigen Zuhause. Aber es passte auch einfach alles sehr gut, denn zu der Zeit waren viele nette Kinder in meinem Alter dort, unter Anderem ein liebes Mädchen, Lara war ihr Name. Mit ihrer Familie freundeten wir uns sehr schnell an, meine Mutter unterhielt sich auch sehr viel mit ihren Eltern.

Ich habe besonders viele lustige Erinnerungen an Laras Vater, „Frankyboy“ haben wir ihn immer genannt. Er hatte immer einen Spruch auf den Lippen, brachte meiner Mutter oft Kaffe und mir etwas von draußen zu essen mit, denn das Essen aus dem Krankenhaus konnte ich einfach nicht runterschlucken, das war neben der Übelkeit von der Therapie ganz sicher auch die Psyche, es ging einfach nicht. Wir wurden uns gegenseitig treue Begleiter und hatten trotz der ganzen unschönen Dinge teilweise sehr viel Spaß zusammen…

An dieser Stelle möchte ich euch danken, für eure Unterstützung und die vielen Dinge, seien sie positiv oder auch negativ, die wir zusammen erlebt und durchgemacht haben und den Humor, den auch ihr bei der ganzen Sachen nie verloren habt.

Ich denke, es ist sehr wichtig solche Menschen in diesen schwierigen Phasen des Lebens zu haben, denn so kann man alles für winzig kleine Momente vergessen und vor allem sehen, dass man in nahezu jeder Lebenslage und wenn sie auch noch so schlecht und aussichtslos erscheint, IMMER irgendwie Spaß haben kann und zwar indem man einfach das Beste daraus macht und dem Krebs zeigt: Ich bin stärker als du!

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Teil 5 – Zweiter Chemo-Block

Ich war dadurch, dass ich durch das Fieber zwischendurch auch ins Krankenhaus musste, nicht lange zuhause, ehe der nächste Therapie-Block losging und ich auch dafür wieder stationär aufgenommen werden musste.

Ich freute mich natürlich überhaupt nicht auf die Therapie, da ich wusste, wie es mir beim ersten Mal ging und dass das jetzt nicht grade besser laufen würde, dafür war ich mit meinen 12 Jahren leider alt genug.

Deswegen hatte ich mal wieder ein mulmiges Gefühl, als wir ins Krankenhaus fuhren, meine Mutter war natürlich wieder mit dabei. Ich war zwar traurig, dass alles wieder von vorne losgehen würde, sobald uns das Taxi abgesetzt hatte, aber ich wollte auch kämpfen. Es war ein ekliges Gefühl, wenn man wusste, man hat da im Becken irgend so ein bösartiges Ding sitzen, das sich jeden Tag wieder neu teilt und neue Zellen in meine Blutbahn schießt.

Deswegen war ich auf gewisse Weise auch froh, dass mein Tumor jetzt wieder etwas auf den Deckel bekam und ich – hoffentlich – nun Stück für Stück gesund werden würde, auch wenn sich das nicht im Ansatz so anfühlte.

Mein Tumor sollte leiden, deswegen musste ich auch leiden, das war mir bewusst, denn so eine Chemotherapie geht ja nun einmal auf alle sich schnell teilenden Zellen. Was muss, das muss!

Ich hielt irgendwie diese fünf Tage durch, ich weiß nicht wie, aber irgendwie ging es. Sie waren zwar wieder von starker Übelkeit und extremen Unwohlsein gezeichnet, aber sobald die Chemo einmal lief, gab´s auch kein zurück mehr, dann hieß es: Durchhalten. Das tat ich, zusammen mit meiner Mutter, die mich natürlich die ganze Zeit nicht aus den Augen ließ und seelisch wahrscheinlich 10 mal so viel gelitten hat wie ich. Ich bin ihr bis heute sehr dankbar, dass sie das alles so mit mir gemeistert hat, das hat mir eine Menge Kraft gegeben. Ich weiß, dass sie oft diese Kraft eigentlich nicht mal für sich selbst hatte, denn ich denke es ist noch viel schlimmer einem geliebten Menschen dabei zusehen zu müssen, wie er leidet, als wenn man selbst der Betroffene ist. Man kann im Endeffekt nichts tun, nichts wirklich zur Heilung beitragen, als dem Kranken alles Mögliche an Unterstützung zu bieten. Das zerrt extrem an den Nerven, aber trotzdem war sie immer da und das hat mir eine Menge geholfen.

Ich hing auch dieses Mal wieder nur über der Kotzschale, an Essen war überhaupt nicht zu denken. Was die ganze Übelkeit noch verstärkte war, dass ich plötzlich alle Gerüche viel intensiver wahrnahm. Ich dachte erst ich bilde mir das nur ein oder ich stelle mich an, als wir dann aber einen Arzt fragten, was das sein könnte, meinte er, dass das durchaus als Nebenwirkung der Chemotherapie bekannt sei. Toll, dachte ich. Das erschwerte mir das Durchhalten noch mehr. Selbst Essensgerüche, die vom Flur aus zu riechen waren, verstärkten extrem meine Übelkeit. So auch die Bettwäsche oder das Blasenschutzmittel, dass in meiner Infusion war. Ich empfand es alles als extrem ekelhaft riechend. Auch Berührungen waren für mich in diesen Tagen teilweise unerträglich. Sogar zarte Berührungen, z.B. ein Streicheln war für mich unglaublich unangenehm. Manchmal dachte meine Mutter nicht daran und streichelte meinen Arm, dann wurde ich manchmal ganz schön unfreundlich, es war einfach super unangenehm in dem Moment. (Sorry Mama! )

Nach den fünf Tagen ging es aber erstmal wieder nach Hause, zwar voll ausgestattet mit Medikamenten gegen Übelkeit und einer Menge Kotztüten, aber immerhin konnte ich nach Hause!!!

Teil 6 – Die PEG Sonde

Es war jedes Mal wieder ein unbeschreibliches Gefühl, wenn ich nach Hause entlassen wurde. Ich hatte zwar im Hinterkopf, dass ich nie genau wusste, wie lange ich zuhause bleiben durfte, ehe wieder etwas dazwischen kommt, aber ich hatte schon immer die für mich sehr wichtige Gabe, den Moment zu genießen und über das, was folgen könnte, egal ob gut oder schlecht, nicht nachzudenken und mir keine Sorgen, aber auch keine Hoffnungen zu machen-bringt ja eh nichts!

Alles was beunruhigte war, dass ich mittlerweile wirklich kaum noch etwas aß, bzw. die Zeit, in der mir nicht übel war, viel zu kurz war, um die Kilos wieder raufzuholen, die ich sehr schnell verlor, wenn ich zuvor die ganze Zeit nichts aß.

Ich quälte mich sehr damit, vor allem weil man von allen Seiten gesagt bekommen hat: „Iss doch mal was, versuch es doch!“ Haha, wenn das so einfach wäre. Ich hab es wirklich versucht, aber wenn man irgendwann auch diese Angst einmal im Kopf hat, dass einem immer übel wird, sobald man Essen nur riecht, dann isst man immer weniger gerne.

Deswegen nahm ich sehr schnell viel zu viel ab, sodass schon bald eine PEG-Sonde, also eine Magen-Darm-Sonde ins Gespräch kam, über die ich in Zukunft künstlich ernährt werden sollte. Das war an sich eine tolle Sache, ich musste mich nicht mehr darum kümmern, ob ich esse, was ich esse und worauf ich gerade eben Lust habe oder nicht, aber ich hatte überhaupt keine Lust auf noch einen Schlauch, der aus meinem Oberkörper rausbaumelte. Man war schon mit dem Zentralen Venenkatheter so eingeschränkt, konnte nicht richtig duschen, nicht wirklich gemütlich auf dem Bauch liegen oder normale Klamotten trage, ohne, dass man alles durchsah, aber als ich dann bei knappen 42 Kilogramm angelangt war, bei einer Größe von 172cm, hatte ich nicht mehr wirklich ein Mitsprachrecht… Mein Oberarzt plädierte sehr dafür, so natürlich auch meine Mutter, sodass eine OP schnell geplant war und ich diese tolle Sonde bekam.

Und … Überraschung,… es war natürlich auch erstmal die Falsche! Die Sonde, die ich nun hatte ging nur in den Magen, war also bescheuert, weil ich dann genauso ein Völlegefühl und damit verbunden Übelkeit bekam. Die Ärzte haben also mal wieder nicht ihr Köpfchen eingesetzt, ist ja auch nicht so schlimm, dann gibt´s eben eine Zweite!

Also wurde ich noch einmal operiert und hatte nun eine Sonde, die sowohl in den Magen, als auch in den Darm ging, sodass ich mir alles darüber geben konnte, zum Teil auch Medikamente und ich nichts davon mitbekam.

Ich musste mich eine kurze Zeit daran gewöhnen, aber ich musste auch einsehen, dass es mir sehr gut tat. Sehr praktisch war auch, dass ich das alles selbstständig bedienen konnte. Ich hatte also auch alles für zu Hause, konnte mir nachts meine Nahrung als Infusion laufen lassen und konnte dadurch wieder ein bisschen zunehmen und vor allem auch wieder ein paar wichtige Nähstoffe zu mir nehmen, die mich ja ebenfalls kräftigten.

Nur, als wieder das Zelltief kam und alle meine Abwehrzellen im Blut komplett streikten, wurde es dann nicht so angenehm. Die Eintrittsstelle der Sonde entzündete sich, obwohl ich sie jeden Abend säuberte. Aber das konnte man wohl nicht vermeiden, meistens sind es ja sogar die körpereigenen Keime, die solche Dinge verursachen.

Trotz alledem wurde auch diese Sonde zu meinem treuen und täglichen Begleiter und ich bin im Endeffekt sehr froh darüber, wie weit die Medizin ist und welche Möglichkeiten man heutzutage hat.

Teil 7 – Die geliebten Haare

Worüber ich noch gar nicht geschrieben habe sind meine „Haare“.

Gerade bei uns Mädels ist das natürlich ein großes Thema. Die geliebten Haare, die plötzlich alle ausfallen, ohne dass man etwas dagegen tun kann. Das war auch bei mir furchtbar. Man wusste zwar, dass der Moment kommen wird, dass man sich von seinen Haaren verabschieden muss, aber man hoffte natürlich trotzdem innerlich, dass es einfach nicht passieren würde oder wenigstens so lange wie möglich dauert, bis es mit dem Ausfall losgeht.

Bei mir ging es aber ziemlich schnell, damit hätte auch ich nicht gerechnet, aber schon nach dem ersten Therapieblock, als ich zur Sepsistherapie wieder stationär für eine Antibiotikatherapie aufgenommen werden musste, fingen mir plötzlich alle Haare an auszufallen.

Ich habe einen großen Schreck bekommen, weil ich vorher noch gar keine Anzeichen gespürt habe. Als ich mir aber abends die Harre kämmen wollte, bevor ich schlafen ging, hatte ich auf einmal lauter Haare in der Haarbürste und bei jedem Bürsten wurden es mehr.

Ich kann mich nicht mehr ganz genau an diesen Tag erinnern, von meiner Mutter weiß ich, dass ich wohl sehr stark geweint habe, was ihr schrecklich leid getan hat. Sie ist dann auf den Flur gegangen, weil sie selber total weinen musste und sie nicht wollte, dass ich das sehe.

Eine liebe Krankenschwester und heute auch Freundin von uns sah sie und tröstete sie und schlug uns vor, die Haare nun endgültig abzurasieren, nach dem Motto: „Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende!“

Ich fand das damals eine gute Idee, ich fand mich grausam mit diesen einzelnen Haaren, die mir nur noch vom Kopf hingen. Dadurch sah man erst richtig krank aus, also fackelten wir nicht lange, die Schwester kramte die Schermaschine aus dem Schrank und ein paar Minuten später war der Schrecken endlich beendet.

Es war tierisch ungewohnt ohne Haare, ich fühlte mich echt nackt und es war natürlich in gewisser Weise ein Schock, denn so hatte ich mich noch nie gesehen. Aber danach war ich erleichtert, jetzt bin ich wenigstens eine richtige Krebspatientin, was ich so besser akzeptieren kann. Mama war sogar richtig „begeistert“ von meiner neuen Frisur. „Wow, wie Sinead O´Connor!“, sagte sie immer. Man versucht halt immer das positive zu sehen.

Ich habe dann ziemlich schnell auch eine Perücke bekommen. Eine Frau, die einen Perückenladen betreibt, kam zu mir ins Krankenhaus, dadurch hatte sie nur ein paar verschiedene zur Auswahl dabei. Ich habe sie alle ausprobiert, so wirklich wohlgefühlt habe ich mich in keiner, es sah einfach tierisch ungewohnt aus, zusätzlich war es eine Kunsthaarperücke, was man wirklich gemerkt hat, es war nicht wirklich angenehm zu tragen. Ich versuchte mich aber damit zu arrangieren und dadurch, dass ich ja die meiste Zeit sowieso nicht so viel unter Menschen gehen konnte, musste ich sie auch nicht so viel tragen, zuhause bin ich eh immer ohne Haare rumgelaufen, das wäre mir viel zu nervig gewesen.

Ich war aber trotzdem froh sie zu haben, denn mit der Perücke war es wenigstens nicht gleich für jeden Menschen auf der Straße so sichtbar, dass man krank ist, man hat sich nicht ganz so nackt und beobachtet gefühlt.

Teil 8 – Die große OP

Schon bald hatte ich meine ersten sechs Chemo-Blöcke hinter mich gebracht.

Es war ein bedeutender Schritt, denn danach folgte die große Operation, bei der mein kompletter Tumor aus der Beckenschaufel entfernt werden sollte.

Ich musste mich nach dem letzten Block natürlich erst wieder erholen, die Blutwerte mussten wieder normal sein, was mittlerweile seine Zeit brauchte, das Knochenmark hatte ja nun schon einiges abbekommen, wodurch es sich also nicht mehr ganz so schnell erholte.

Aber schließlich war es soweit und der große Tag rückte immer näher.

Vorher stellte ich mich natürlich bei dem Chirurgen vor, der das Wunderwerk vollbringen sollte. Er klärte uns über alles auf, das Vorgehen, die OP-Technik und natürlich die ganzen Risiken, die so eine Operation mit sich bringt. Es hörte sich fast schon an wie Kunst, was er uns da alles erklärte und ich wäre nicht im Leben auf solche Ideen gekommen. Aber es machte mir auch Angst, denn so eine aufwändige Operation, bei der einem die komplette Beckenschaufel entfernt und durch sein Wadenbein und ein paar Titanimplantate ersetzt werden würde, hatte für mich nur gruseliges an sich. Das war nämlich der Plan: meine gesamte linke Beckenschaufel sollte entfernt werden, denn dort saß ja nun schließlich mein Tumor. Nur mein Hüftgelenk konnte erhalten bleiben, so weit reichte der Tumor zum Glück nicht. Um diese fehlende Beckenschaufel auch nur ansatzweise zu ersetzen, sollte nun mein Wadenbein aus dem Unterschenkel entnommen werden und zusammen mit ein paar Titanstäben eine kleine Rekonstruktion darstellen. Denn auf dem Wadenbein liegt kaum Gewicht, man braucht es praktisch gar nicht und kann ohne Probleme zweckentfremdet werden.

Ich konnte mir natürlich vorher nicht im Geringsten vorstellen, was das alles bedeuten würde, wie ich später eingeschränkt sein würde und wie lange es brauchen würde, bis ich nach dieser großen Operation wieder halbwegs „fit“ sein würde.

So konnte ich es also nur auf mich zukommen lassen und musste versuchen, mir im Vorhinein so wenig Sorgen und Gedanken wie möglich zu machen. Das gelang mir auch ganz gut, nur meinen Eltern nicht, das wusste ich.

Nun war es bereits Dezember, als ich operiert wurde und mein kleines ungewolltes Anhängsel endlich entfernt wurde. Es war ein gutes Gefühl, dass es endlich wegkam. Erst kurz vorher, als ich dann realisierte, was nun auf mich zukommen würde, kam so richtig die Aufregung in mir hoch.

Eine Wahl hatte man ja nicht und ich wollte diesen Tumor auch unbedingt loswerden.

Also hieß es: Augen zu und durch! Wortwörtlich, denn schneller als ich gucken konnte, lag ich auf dem OP-Tisch, die Narkose wurde eingeleitet und meine Augen fielen zu und zwar für eine ganze Weile…

Denn die OP dauerte sehr lange, ich glaube es waren knapp sechs Stunden und auch danach ließen mich die Ärzte noch für zwei Nächte im künstlichen Koma auf der Intensivstation. Meine Mutter fand es damals sehr schlimm, sie hatte gehofft mich schon wieder wenigstens halb wach in Empfang zu nehmen, stattdessen durfte sie mich nur schlafend sehen.

Mein Kreislauf ist während des Eingriffs wohl sehr schlecht geworden, vermutlich habe ich auch einiges an Blut verloren, sodass ich nach der OP schlechte Vitalwerte hatte und erstmal im künstlichen Koma wieder zu Kräften und normalen Werten kommen sollte.

Als ich wieder wach wurde, wusste ich natürlich von nichts und dachte, die OP wäre gerade erst vorbei. So fühlte es sich auf jeden Fall an, denn ich hatte Schmerzen und konnte mich überhaupt nicht bewegen. Gefühlt tausende von Kabeln und Schläuchen waren an meinem Körper befestigt, unter Anderem ein Blasenkatheter, verschiedenste zusätzliche Zugänge in allen möglichen Blutgefäßen und Kabel um meine Parameter, wie Puls, Blutdruck usw. ständig unter Kontrolle zu haben.

Aber wenigstens konnte ich bald wieder hoch auf meine Station, wo ich alle kannte. Schwester Birgit holte mich ab, ich freute mich, als sie kam und ich endlich wieder verlegt wurde.

Oben angekommen, ging der Spaß erst richtig los…

Teil 9 – Weihnachten im Krankenhaus

Kurz nachdem ich wieder oben auf der Station war – ich war froh wenigstens wieder alle vertrauten Gesichter um mich zu haben – fing ich mir irgendeinen Keim ein, mit dem es mir zusätzlich noch schlechter ging, weil es mich sehr schwächte und nicht mehr von der Toilette runterließ, was schlecht war, denn es war für mich kaum möglich zur Toilette zu gehen, da ich mein Bein noch gar nicht belasten durfte und ich außerdem noch ziemlich starke Schmerzen hatte. Ich bekam natürlich schon eine ordentliche Ladung Schmerzmittel, aber wie meistens wirkten die auch nicht gerade so bei mir, wie sie sollten.

Ich kämpfte also auch noch eine Weile damit, bis das endlich überstanden war und verbrachte nun also meine Vorweihnachtszeit im Krankenhaus. Als die großen Narben so einigermaßen angefangen hatten zu heilen, ging es auch schon mit dem nächsten Chemo-Block los. Ab jetzt sollte die Medikamentenzusammenstellung etwas anders sein, ich war gespannt, ob und wie sich die Nebenwirkungen veränderten….

Aber es war eigentlich so wie immer: Starke Übelkeit, überhaupt keinen Appetit und das „Chemo-Gefühl“, wie ich es mir schon dachte. Aber ich hielt durch und genoss, so weit das ging, die vorweihnachtliche Stimmung, die sogar trotz alledem ein bisschen in mir aufkam, denn Mama und ich hatten versucht, das Zimmer so gut es ging ein bisschen zu schmücken. Ich hatte meinen Adventskalender im Zimmer hängen und sie hatte auch eine Lichterkette aufgehängt und mir einen kleinen Kunst-Tannenbaum aufgestellt, sodass wir es eigentlich einigermaßen gemütlich hatten. Außerdem hatte ich zu dieser Zeit zum Glück ein Einzelzimmer, was die ganze Sache auch noch einmal wesentlich erträglicher machte.

Es gab bald eine Weihnachtsfeier auf der Station, dann wurde dort ein bisschen gemeinsam gesungen und beisammen gesessen. Außerdem kamen ein paar Spieler von der Basketball-Mannschaft ALBA zu Besuch und brachten allen Kindern ein Geschenk. Das war natürlich ein großes Highlight, auch wenn ich nicht viel davon mitbekommen habe, denn wenn ich mich richtig erinnern kann, konnte ich dort noch nicht aus meinem Bett.

Aber ich bekam regelmäßig Besuch von meiner Familie und auch von meinen Freunden und so verging die Zeit und bald stand schon Weihnachten vor der Tür.

Zu diesem Zeitpunkt war ich leider noch lange nicht so fit, dass ich nach Hause durfte und dort Weihnachten feiern konnten. Aaaaber, man braucht ja mal Veränderungen. Immer zu Hause feiern ist ja auch langweilig.

Deswegen kamen zu Weihnachten mein Papa und meine Schwester zu uns ins Krankenhaus, dort hat mein Papa dann in der Elternküche Ente gekocht, die wir dann alle zusammen bei mir im Zimmer gegessen haben. Zu der Zeit hatte ich sogar mal ein kleines Bisschen Appetit, sodass ich auch ein paar Stückchen essen konnte. Was natürlich nicht fehlen durfte, war die Bescherung, die wurde selbstverständlich an diesem Abend auch in mein Krankenzimmer verlegt.

Und es war seltsam, denn wir feierten dieses Fest an einem Ort, an dem es glaube ich kein Mensch dieser Erde gerne feiern würde und trotzdem war ich an diesem Abend dankbarer als zu jedem Weihnachten zuvor: Ich war froh am Leben zu sein, ich war froh, dass meine Familie gesund bei mir war und wir so ein fantastisches Essen hatten und ich war einfach nur froh, dass ich diese große Op überstanden hatte, sich meine Übelkeit und meine Schmerzen heute in Grenzen hielten und war stolz, dass ich schon wieder einigermaßen stabil in meinem Bett sitzen konnte.

Außerdem konnten wir an diesem Abend trotz allem fröhlich sein und uns über diese eigentlich kleinen Dinge so sehr freuen, denn uns war nun schon lange bewusst geworden, was wirklich wichtig ist im Leben und das war eigentlich das größte Geschenk von allen.

Teil 10 – Silvester endlich zu Hause

Kurz vor Silvester wurde ich dann endlich entlassen. Ich freute mich so sehr, wie noch nie zuvor, einfach nur nach Hause zu kommen.

Die Zeit im Krankenhaus kam mir wie eine Ewigkeit vor und als ich Zuhause ankam, kam mir dort alles schon fast ein bisschen fremd vor. Jedoch war es das auf eine schöne Art und Weise. Ich hatte fast vergessen, wie schön es war, einfach nur zuhause zu sein, sein Bett, seinen Schrank und sein eigenes Bad zu haben.

Ich konnte mich noch nicht so viel bewegen, durfte das Bein auch immer noch nicht voll belasten, aber mittlerweile kam ich mit meinen Gehstützen ganz gut zurecht und so versuchte ich mich so gut es ging frei in unserer Wohnung zu bewegen. Ein Glück war die ebenerdig, sonst hätte ich schon Probleme bekommen.

Der Silvesterabend war irgendwie sehr emotional für mich. Ich versuchte die Zeit, in der ich zuhause bei meiner Familie sein konnte, zu genießen. Das tat ich auch wirklich, aber man fühlte sich auch auf eine Art gehetzt, denn man wusste, bald würde es wieder ins Krankenhaus gehen und man muss die Zeit, die man jetzt hatte so viel genießen, wie es nur geht und manchmal dachte man, das tut man vielleicht nicht genug.

Aber wir waren alle den ganzen Abend zusammen, wir aßen gemeinsam – ich bemühte mich auch etwas herunterzukriegen – und als die Uhr 00:00 schlug, gingen mein Vater und meine Schwester raus in den Garten, auf den ich von meinem Bett aus durch mein Zimmerfenster direkt schauen konnte und veranstalteten ein kleines Feuerwerk für mich.

Ich weinte, als nun offiziell das nächste Jahr begonnen hatte, denn ich war auf der einen Seite froh und stolz, dass ich den schlimmsten Teil meiner Therapie geschafft hatte und dass ich nun hoffentlich in ein neues Jahr starten würde, in dem alles nur noch besser wird. Aber mir wurde in diesem Moment auch bewusst, was ich bis hierher alles durchgemacht und ausgehalten habe.

Aber ich war schon immer ein optimistischer Mensch, nahm mir für das neue Jahr vor, gesund zu werden und betete einfach nur, dass es so passieren wird.

In der Zeit nach Silvester hatte ich dann erstmal ein bisschen Ruhe, also was heißt Ruhe, ich bekam natürlich wieder Fieber, als ich ins Zelltief kam und musste somit zur Antibiotikatherapie ins Krankenhaus, aber die nächste Chemo ging erst Ende Januar wieder los.

Zwischendurch brach ich mir aber leider noch die eine Schraube, die bei der großen Tumorresektion als Teil der Beckenrekonstruktion im Dezember eingesetzt wurde. Es war aber im Endeffekt meine eigene Schuld. Ich habe nämlich einen großen Schwebetürenschrank geöffnet, um mir neue Klamotten zu nehmen, zu diesem Zeitpunkt bin ich jedoch noch an Gehstützen gelaufen. Auf einer Seite habe ich mich an der Gehstütze festgehalten und mit der anderen Hand habe ich versucht, die Schranktür zur Seite zu schieben, bin jedoch abgerutscht und hingefallen. Vernünftig war das nicht, das wusste ich selber, aber ich habe mir noch nie gerne helfen lassen und wollte immer alles alleine schaffen, wenn ich halbwegs dazu in der Lage war. Ich ruhte mich nämlich überhaupt nicht gerne auf meiner Krankheit aus. Hätte ich in diesem Fall vielleicht machen sollen…

Ich merkte das erstmal gar nicht, denn sonderlich wehgetan hat es, wenn ich mich richtig erinnere, nicht. Das schöne Endergebnis, dass der Schraubenkopf, also komplett vom restlichen Schraubenteil abgebrochen war, sahen wir dann erst auf einem Kontroll-Röntgen…

Aber warum sollte bei mir eigentlich mal was komplikationslos laufen…?

Teil 11 – der Chemo-Alltag und Wohnungssuche

Die anschließende Zeit war ziemlich unspektakulär. Ich bekam weiterhin meine Chemotherapie, aber da gab es wundersamer Weise gar nicht mehr so viele schreckliche Komplikationen.
Mir ging es natürlich weiterhin nicht gut während der Chemo, aber im Verhältnis zu dem, was ich bis zu der großen Operation erlebt hatte, war das echt okay.

Es verlief weiterhin in einem ähnlichen Schema: Eine knappe Woche Chemotherapie, die zusammengesetzt war aus verschiedenen Medikamenten und dann ca. 3 Wochen Pause. Zusätzlich bekam ich auch noch ein anderes Medikament namens Zometa IV, von dem sich die Ärzte viel erhofften. Ich bekam weiterhin jedes Mal Fieber. Obwohl, nein! Ein einziges Mal habe ich es ohne Fieber geschafft! Da war ich sehr froh!

Gegen Frühling ging meine Therapie dann langsam zu Ende. Eigentlich waren insgesamt 14 Chemo-Blöcke vorgesehen, den letzten ließen wir dann aber bei mir weg, weil mein Knochenmark schon zu stark geschädigt war und die Zellen sich nur noch sehr schwer erholten.

Wir wohnten zu der Zeit auf dem Uni-Gelände, wo mein Vater noch als Tierarzt arbeitete. Leider endete sein Vertrag zu dieser Zeit und der Chef wollte uns somit auch unbedingt so schnell, wie möglich aus dieser Wohnung raus haben. Meine Mutter war also die ganzen letzten Wochen während meiner Therapie dabei, nach einer neuen Wohnung zu suchen. Es war wirklich aufregend, weil wir ziemlich unter Zeitdruck standen. Mein Vater arbeitet dann parallel an seiner Selbstständigkeit, es gab also zusätzlich ganz schön viel Aufregung! Meine Mutter klemmte sich aber wirklich sehr hinter die Sache und hatte schon bald eine neue Wohnung organisiert, die nicht weit von unserer alten entfernt war- Respekt an Dich, Mama!

Es folgte also auch schon bald der Umzug, bei dem ich nicht wirklich helfen konnte, ich war zu dem Zeitpunkt wirklich gerade so mit der letzten Chemo fertig und noch sehr schwach.

Aber wir waren sehr froh, als der Stress mit dem alten Chef vorbei war und wir nun in unsere neue Wohnung einziehen konnten. Sie ist zwar nun im 2. Stock, aber ich bin da trotzdem ganz gut hochgekommen, das Treppensteigen war eine gute Übung für mich.

Ich war nach der allerletzten Therapie dann erstmal einfach nur zuhause, freute mich, dass endlich alles überstanden war und war überzeugt, dass es nun dabei bleiben würde! Ich war stolz auf mich, alles geschafft zu haben und durch oder trotz alle dem, was ich alles an Medikamenten bekommen hatte, lebte.

Als Nächstes beantragten wir dann mit den Sozialarbeitern der Station eine Reha für die ganze Familie, denn wir alle waren durch diese Zeit ganz schön beansprucht und wollten uns in dieser Familien-Reha erholen und ein bisschen zu Kräften kommen.

Es dauerte nicht lange, bis der Antrag bewilligt war und dann ging es auch schon bald los nach Bad Oeynhausen….

Teil 12 – Die Reha in Bad Oexen

Ich freute mich sehr, als es losging zu Reha. Endlich ein bisschen erholen, endlich alles hinter sich lassen, endlich wieder zu Kräften kommen und den Körper regenerieren lassen.Die Klinik lag in der Stadt Bad Oeynhausen, im Ort Bad Oexen in Nordrhein-Westfahlen. Die Einrichtung ist spezialisiert für onkologische Rehabilitation.

Am ersten Tag lernten wir erstmal alles kennen, schauten uns die Anlage an, die wirklich sehr schön war, mit vielen Fachwerkhäusern. Man hat sich nicht gefühlt wie in einer Klinik.

Wir hatten Gespräche mit Ärzten, die versuchten herauszufinden, was jeder Einzelne von uns am Meisten brauchte, denn schließlich bekam jeder einen individuellen Plan mit verschiedenen Therapien. Es war wie eine Art Stundenplan, der Tag war durchorganisiert mit Therapien zu bestimmten Zeiten.

Wir wurden wirklich intensiv betreut, ich hatte auf Grund meines schiefen Rückens durch die große Becken-OP im Dezember zum Beispiel sehr viel Physiotherapie, unter anderem auch im Wasser. Ich hatte feste Therapeuten, die täglich mit mir arbeiteten, so auch meine Schwester, meine Mutter und mein Vater. Bei ihnen wurde mehr Wert auf die psychologische Betreuung gelegt, aber auch sie hatten verschiedene Angebote, um ihre Körper wieder zu Kräften kommen zu lassen.

Dadurch bekamen wir natürlich auch Kontakt zu den anderen Familien und Kindern, es gab nämlich auch einige Gruppentherapien und Nachmittags hatte man „Freizeit“ und wir hatten viel die Möglichkeit, uns mit anderen auszutauschen und Kontakte zu knüpfen. Dadurch, dass alle relativ zeitgleich mit der Reha starteten, wurden wir schnell zu einer Gruppe, die sich wirklich gut verstand und viel zusammen machte. Es war sehr schön, denn es wurde nicht nur etwas für den Körper getan, sondern auch für die Seele. Ich war viel mit Gleichaltrigen zusammen und wir alle wollten einfach nur unbeschwert diese Zeit genießen und haben somit gemeinsam diese vier Wochen verbracht und viel Spaß gehabt. Es gab ein Jugendhaus, in dem wir uns oft trafen. Dort konnten wir alles Mögliche machen, unter anderem auch zusammen kochen oder einfach nur Spiele spielen oder quatschen.

Ich konnte dort endlich mal wieder ein bisschen aufatmen, die ganzen Sorgen hinter mir lassen und bekam das Gefühl, dass es mir nun immer besser geht. Ich arbeitete intensiv mit meinem Physiotherapeuten, was zwar manchmal ganz schön anstrengend war, aber trotzdem auch viel Spaß gemacht hat, vor allem wenn man kleine Erfolge beobachten konnte.

Außerdem tat das schöne Wetter das Übrige. Es war ja nun inzwischen Sommer und ein Jahr her, dass ich meine Diagnose bekam, eigentlich eine ganz schön lange Zeit und trotzdem kam einem zu diesem Zeitpunkt alles so vor, als wäre das alles gerade erst passiert. Manchmal dachte ich an das ganze Jahr zurück. Es machte mir erst rückblickend so richtig Angst, als ich realisierte, was ich alles hab durchmachen müssen. In der Zeit, in der das alles passiert ist, hatte ich gar nicht so wirklich Zeit dazu, mir darüber Gedanken zu machen, wie schrecklich das alles ist, man war nur damit beschäftigt durchzuhalten, man dachte nur daran, wieviel Tage man noch bis zur nächsten Chemo hatte oder musste versuchen irgendwie sein Gewicht zu halten. Aber jetzt, wo offiziell alles vorbei war, wurde mir das erst bewusst. Aber umso glücklicher war ich, als ich dann wusste, dass ich nun hier in der Reha war, alles vorbei war und jetzt hoffentlich alles gut werden würde.

Teil 13 – Zurück ins Leben

Die Zeit in der Reha verging viel zu schnell. Es war komisch, denn auf der einen Seite hatte man das Gefühl, man wäre gerade erst angekommen und andererseits waren wir alle schon wie eine Familie geworden, von der man sich gar nicht mehr trennen wollte. Das war wahrscheinlich auch logisch. Endlich waren alle einmal unter sich, jeder hat den anderen verstanden, ohne große Erklärungen und keiner bekam von irgendwem gestelltes Mitleid. Man musste einfach nichts verstecken, vor allem nicht seine Schwächen und die Dinge, die man durch die Krankheit gar nicht an sich leiden konnte, so wie ich zum Beispiel meine Glatze.

Mir ging es nach den vier Wochen in Bad Oexen viel besser. Ich hatte so viel mit meinem Physiotherapeuten gearbeitet, im Trainingsraum und im Wasser, ich konnte endlich mal wieder mit anderen Gleichaltrigen zusammen sein und dort unbeschwert meinen Tag leben und genießen und das schöne Wetter erleben. Es war richtig traurig, als die vier Wochen zu Ende gingen, sich alle verabschiedeten und nun jeder wieder seiner Wege ging. Aber trotzdem war es irgendwie auch schön, man hatte das Letzte, was mit dieser Krankheit verbunden war, zu Ende gebracht und jetzt ging es einem, im Verhältnis zu den letzten Monaten gesehen, wieder richtig gut.

Nachdem wir Bad Oexen also verlassen hatten, ging es noch weiter in den „richtigen“ Urlaub. Es waren ja eh noch offiziell Sommerferien und deswegen fuhren wir noch nach Italien in die Toskana und schauten uns viele verschiedene Orte an, unter anderem Florenz und Pisa. Es waren so viele tolle Erlebnisse, so unglaubliche Landschaften die ich zu sehen bekommen habe, ich war so dankbar für diesen Urlaub.

Aber auch die Zeit ging leider vorbei und als ich zum Ende der Sommerferien wieder nach Hause kam, war es ganz ungewohnt, sich nun wieder auf die Schule vorzubereiten. Aber ich freute mich tierisch! Dadurch, dass ich in den Kliniklehrern immer meinen Unterricht gemacht habe und mich teilweise per Video-Chat mit meiner Klasse verbunden habe, hatte ich zum Schuljahresende auch ein Zeugnis bekommen und konnte somit mit meinem alten Jahrgang in die nächste Klasse gehen. Ich konnte es kaum erwarten endlich alle wiederzusehen. Ich hatte die meisten das ganze Jahr über nicht gesehen, meistens nur meine beste Freundin, ich durfte ja auch immer nicht so viele Menschen sehen. Aber ich war unglaublich aufgeregt, als ich am ersten Tag der 9. Klasse wieder zur Schule gehen durfte!

Teil 14 – Ein ganz normales Leben

Und so kam der Tag, an dem die Schule wieder losging. Ich hatte gemischte Gefühle, denn ich freute mich einerseits natürlich tierisch auf all meine Freunde und darauf, endlich wieder normal wie alle anderen zu leben. Andererseits hatte ich aber natürlich auch Angst. Ich war nun ein Jahr aus diesem „normalen“ Leben raus und zusätzlich natürlich noch geschwächt, dadurch war die Angst groß, den normalen Alltag mit der Schule, dem Lernen, dem frühen Aufstehen nicht so einfach zu schaffen.

Die Vorfreude auf meine Freunde war aber deutlich größer und so war ich unglaublich glücklich, als ich am ersten Schultag auch endlich wieder zur Schule gehen konnte.

Es war wirklich komisch, aber es war toll wieder da zu sein. Und es war schön, von allen so toll empfangen zu werden.

Es war dann natürlich erstmal noch sehr anstrengend für mich, in die Schule zu gehen. Ein Tag mit 7-8 Stunden war nicht leicht, auch das Sitzen fiel mir schwer, da ich schnell Rückenschmerzen bekam, denn durch die große Becken-OP waren die Muskeln ja nun alle am Rücken vernäht, da die Beckenschaufel nun weg war und das war nicht angenehm. Aber trotzdem lebte ich mich schnell wieder ein und genoss es zur Schule zu gehen.

Ich machte also meine neunte Klasse und fing anschließend mit der Zehnten an. Das war die Zeit des Mittleren Schulabschlusses (MSA), in der es mir mittlerweile wieder ziemlich gut ging. Ich schloss mich mit einer guten Freundin zusammen, um gemeinsam den einen Teil des MSA, eine Präsentationsprüfung, vorzubereiten. Ich denke immer wieder so gerne an diese Zeit zurück, weil ich einfach so viel Spaß hatte! Wir haben uns so oft getroffen, um gemeinsam zu arbeiten, haben beieinander übernachtet, haben teilweise sogar im Bus unseren Laptop aufgeklappt und weitergearbeitet, weil wir uns wirklich in die Sache reingehängt haben.

In dieser Zeit habe ich auch angefangen in dem Verein meiner Freundin Tennis zu spielen. Sie brachte mich dazu und ich musste sowieso mal irgendeinen Sport anfangen, deswegen entschloss ich mich dazu. Ich musste natürlich ganz langsam anfangen, vor allem weil ich ja nicht mal laufen kann, ohne zu humpeln. Ich will auch nicht wissen, wie ich dabei aussah, aber es hat mir Spaß gemacht und einigermaßen funktioniert und das war das Wichtigste!

Im Sommer 2015, zum Ende des Schuljahres, als der MSA so gut wie geschafft war, lernte ich dann meinen Freund kennen, mit dem ich bis heute zusammen bin und rückblickend kann ich einfach nur dankbar sein, dass ich damit angefangen habe, Tennis zu spielen, denn darüber habe ich ihn im Endeffekt kennengelernt.

Er ist nämlich leidenschaftlicher Tennisspieler und ein Freund eines Trainers, der zu diesem Zeitpunkt in meinem Verein war.

Und als meine Freundin und ich einen Tag nicht wirklich wussten, was wir machen sollten, verabredeten wir uns mit ihm und da brachte er „Jonah“ mit.

Dort sahen wir uns also das erste Mal, trafen uns anschließend wieder und wieder, bis wir schlussendlich ein Paar wurden. Ich war glücklich zu dieser Zeit, was ich mir, denke ich, auch wirklich verdient hatte.

Endlich war alles gut und ich lebte einfach nur unbeschwert mein Leben, denn auch meine regelmäßigen Kontrollen im Krankenhaus waren unauffällig und gaben keinen Hinweis, der uns Sorgen bereiten sollte. Nur diese Schmerzen, die ich schon wieder im Becken hatte, die waren komisch…

Teil 15 – Kathi’s Blog mit Gruß aus den USA

So ihr Lieben, ich weiß, ich habe jetzt ziemlich lange nichts mehr von mir hören lassen, aber wie die meisten von Euch bestimmt mitbekommen haben, habe ich vor kurzem wieder die Diagnose meines mittlerweile 3. Rückfalls bekommen und daher bin ich gerade mit allen möglichen Dingen beschäftigt, unter anderem mit der Reise nach Amerika, wo wir uns ärztlichen Rat holen wollen, da ich in Deutschland nicht mehr viele Therapiemöglichkeiten habe.

Nun mache ich aber erstmal einen kleinen Zeitsprung zu dem Punkt, wo ich im letzten Blog-Artikel aufgehört habe…

Ich hatte nämlich mit diesen Schmerzen aufgehört, die schon wieder da waren, komischerweise wieder genau an dieser Stelle, wo sie damals waren. Aber das war seltsam, denn an der Stelle wurde ja alles wegoperiert, ich hatte nicht mal mehr eine Beckenschaufel. Was war das also? Ein Phantom-Schmerz? Schmerzen von meinem Beckenschiefstand, denn ich durch die Operation bekommen hatte? Oder doch wieder Tumor-Schmerz? Die Angst davor war natürlich am größten, vor allem für meine Mutter. Ich glaubte nicht daran, dass es wieder ein Tumor sein sollte. Ich hatte doch so schrecklich starke Chemotherapie bekommen, der gesamte Krebs wurde im Gesunden entfernt, ich hatte niemals irgendwo irgendwelche Metastasen. Auf gar keinen Fall war das wieder ein Tumor.

Zur Sicherheit, und auch weil ich das sowieso immer zur Kontrolle machen musste, ging es wieder ins MRT. Mein gesamtes Becken wurde gescannt und es war nichts zu sehen!! Der ganze Rand, wo damals der Knochen entfernt wurde, war frei. Ich war froh, dass es nichts war.

Die Schmerzen hörten aber nicht auf, langsam bekam auch ich Angst, denn es war der gleiche Schmerz, wie damals und mittlerweile auch wieder ganz schön stark. Es wurde also auch noch einmal ein CT gemacht.

Und dann kam die freudige Nachricht: Auffälligkeiten im Kreuzbein. JUHU.

Von da an war ziemlich klar, dass es sich höchstwahrscheinlich doch wieder um einen neuen Tumor handelte. Er hatte sich, wie es auf den Bildern aussah, in die S1-Wurzel des Kreuzbeines geschlängelt, sozusagen in das oberste Loch, das im Kreuzbein ist, durch das die Nerven gehen.

Also, the same procedure as last time, stand eine Operation an, wobei geschaut werden sollte, ob es sich wirklich um Tumor handelte und wenn ja, gleich alles entfernt werden sollte.

Gesagt, getan. Schon bald lag ich wieder unterm Messer und wurde in der Neurochirurgie operiert.

Irgendwann, als die Operation vorbei war, wurde ich langsam im Aufwachraum der Abteilung wach. Als ich noch total im Rausch war und anscheinend so aussah, als würde ich noch schlafen, kamen zwei Ärzte zu mir ans Bett, die ich beide nur komplett verschwommen wahrnehmen konnte und der eine sagte zum anderen: “Rezidivverdacht bestätigt.“

Danach brach ich in Tränen aus, ich war ganz alleine, meine Mutter hatten sie noch nicht zu mir gelassen und ich war einfach nur verwirrt, konnte nichtmal richtig sehen und die Worte des Arztes schossen immer wieder durch meinen Kopf. Ich wurde panisch, zweifelte an mir selbst und wusste nicht, ob ich das in meiner Benommenheit nur geträumt hatte oder ob es wirklich so war. Aber da war dieser Arzt und er hatte diese Worte gesagt und ich war verzweifelt.

Kurz danach kam endlich meine Mutter zu mir in den Aufwachraum und sie beschreibt heute noch, wie schrecklich dieser Moment war, als sie mich komplett aufgelöst dort liegen sah und die Tränen mir über das Gesicht strömten. Sie fragte mich, was passiert war und ich erklärte ihr, was der Arzt gesagt hatte, dass ich aber nicht wusste, welcher es war und sie fragte mich, ob ich mir ganz sicher sei, dass ich das wirklich gehört habe.

Sie machte sich dann direkt auf die Suche nach einem Arzt, der uns aufklären und uns sagen sollte, ob das stimmte was ich gehört hatte.

Ich betete und hoffte auf ein Wunder, aber leider hatte sich der Verdacht auf ein Rezidiv wirklich bestätigt…

Ich wollte das nicht, ich hatte noch so gut in Erinnerung, was ich das letzte Mal alles durchmachen musste. Und ich hatte mich doch gerade so gut erholt, ich hatte meinen MSA gemacht, ich hatte meinen Freund, mit dem ich mehr als nur glücklich war und ich war nun in der Oberstufe und wollte mein Abitur machen. Aber nein, mein netter Krebs wollte mir wohl wieder einen Strich durch die Rechnung machen. Nur leider hatte er wohl immer noch nicht begriffen, dass er sich mit der falschen Person angelegt hat….

So, ich bin endlich zurück und vorab möchte ich Euch kurz die neusten Neuigkeiten mitteilen: Bei mir wurde ja endlich eine Therapie gefunden, ich nehme sie mittlerweile etwas über einen Monat und leider zeigt sie ziemlich starke Nebenwirkungen, die mich sehr schwächen, aber ich versuche so gut es geht ein halbwegs normales Leben zu führen und zur Schule zu gehen. Das ist mir zwar besonders die letzten Tage nicht mehr so gut gelungen, aber ich hoffe, dass ich mich in den Ferien jetzt gut erholen und dann einigermaßen fit ins neue Jahr starten kann.

Ein Lungen-CT hatte ich jetzt vor kurzem auch wieder, das erste seitdem meine Metastasen im September entfernt wurden. Das Ergebnis ist leider mal wieder unklar. Die Lunge ist hauptsächlich frei, im linken Lungenflügel ist jedoch wieder etwas kleines zu sehen, wo keiner wirklich weiß, was es sein soll, weil es ein bisschen untypisch aussieht für eine Metastase. Es könnte also auch etwas entzündliches sein, keiner weiß es! Das nächste CT ist dann schon wieder im Januar und dann muss ich nur hoffen, dass es nicht gewachsen ist!

Ich wünsche Euch aber natürlich ganz, ganz schöne und besinnliche Feiertage mit Euren Liebsten und anschließend einen guten Start in das neue Jahr mit viel Liebe, Glück, GESUNDHEIT und Erfolg!!!

Teil 16 – Kathi’s Blog mit Feiertagsgrüßen

Und jetzt zu meiner Fortsetzung, auf die ihr schon viel zu lange warten musstet!:

So ging der ganze Spaß also von vorne los: Chemo, Chemo, Chemo. Meine Vorfreude war mehr als riesig, vor allem weil ich ja wusste, was kommt. Es waren zwar dieses Mal andere Medikamente, andere Chemotherapeutika, aber dass es dadurch einfacher würde, war lange nicht gesagt.

Erstmal bekamen wir aber noch eine andere frohe Botschaft! : Die Neuroforamina, also die Löcher, von denen wir insgesamt 4 auf jeder Seite des Kreuzbeines haben, durch die die Nerven verlaufen, wurden in der Operation verwechselt!

Statt in der S1-Wurzel, war der Chirurg in der S2-Wurzel, wodurch die Ärzte im Nachhinein überhaupt erst gecheckt haben, dass da auch alles voll mit Krebs ist. Das haben sie nämlich vorher auf den MRT-Bildern, die sie gemacht haben, gar nicht erkannt.

Also wurde ich nochmal operiert, um den Rest, der jetzt wirklich noch in der S1-Wurzel saß, zu entfernen. Leider konnte aber gar nicht alles komplett weggenommen werden, weil das da alles so klein und eng ist, dass er sonst wahrscheinlich die Nerven stark beschädigt hätte. Es stand also schon früh fest, dass ich an dieser Stelle wahrscheinlich auch noch bestrahlt werden musste.

Als ich mich halbwegs von den OPs erholt hatte, ging auch die Chemo wieder zügig los, sodass so schnell wie möglich die herumschwirrenden Metastasen angegriffen werden konnten. Ich hatte wirklich keine Lust, aber konnte ich mich bei irgend jemandem beschweren, der das ändern konnte? Nein, es hieß: durchhalten.

Das habe ich versucht, meine Mama hat mich natürlich wieder zu jedem Krankenhausaufenthalt begleitet, so gut sie konnte, hat bei mir geschlafen und wie eine Löwin auf mich aufgepasst.

Auch mein Freund hat mich so oft er konnte besucht, dafür war ich ihm unglaublich dankbar. Ich wollte eigentlich nicht, dass er mich so sieht, am Ende meiner Kräfte, aber dann hätte ich ihn praktisch nie mehr sehen können. Und das wollte ich auch nicht. Außerdem hat er mir trotzdem immer gesagt, wie schön ich bin, das war zwar mehr als gelogen, aber er hat alles versucht, um mir ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern…

Teil 17 – Und noch eine OP

Nachdem ich also auch die zweite Operation hinter mir hatte, war ich froh, dass ich diese zwei großen Eingriffe erstmal geschafft hatte, die jetzt doch in ziemlich kurzer Zeit aufeinander folgten. Doch die Freude währte nicht lange, denn schon kurz nach der Operation wurde die Stelle im operierten Bereich plötzlich sehr dick. Wir fragten uns natürlich was das war, denn die Schwellung war nicht gerade klein und wurde immer dicker. Erst wurde eine Entzündung vermutet, aber es tat nicht weh und es war wie ein richtiges Kissen unter meiner Haut. Schon bald stellte sich heraus, dass es sich um Liquor handelte, also Gehirnflüssigkeit. Bei der OP wurde, wie sich herausstellte, versehentlich die Dura verletzt, die Hirnhaut, die sich weiter unten als Rückenmarkshaut fortsetzt. Dadurch sickerte nun die Flüssigkeit unter die Haut.

Jetzt gab es ein Problem: Die Ärzte befürchteten, dass durch diese Verletzung nun eventuell auch Tumorzellen bei der OP in den Spinalkanal, also den Wirbelkanal, gekommen waren.

Also, weil es so Spaß macht, dufte ich mich einer weiteren Operation unterziehen, in der mir ein sogenanntes Rickham-Ventil in den Kopf gelegt wurde, mit dem man eine Verbindung zum Wirbelkanal herstellen konnte, um drüber auch direkt Chemotherapie in das Gehirnwasser zu geben, um eventuell vorhandene Tumorzellen abzutöten. Dieses Ventil, das man ziemlich leicht mit einer Spritze anstechen konnte, lag direkt unter der Kopfhaut. Sah hübsch aus, ich war jetzt also ein Einhorn, das wollte ich schon immer mal sein.

Was ich natürlich vorher noch bekam war ein Port, damit die Chemotherapie wieder gegeben werden konnte. Bei der ersten Erkrankung hatte ich ja noch den Broviak-Katheter, der einem immer aus der Brust rausbaumelte. Das war an dem Port jetzt besser, der lag, so wie das Rickham-Ventil, unter der Haut und wenn er nicht angestochen war, konnte man ganz normal duschen und sich normal kleiden und hat ihn nicht gesehen, wenn man es nicht wusste. Immerhin EINE gute Sache.

Und so hatte ich wieder eine lange Zeit voll mit Krankenhaus-Aufenthalten hinter und noch vor mir, die ich irgendwie ausgehalten habe. Wenn man rückblickend darüber nachdenkt, weiß man manchmal gar nicht, wie man das eigentlich geschafft hat und wenn man sich vor Augen hält, was diese Erkrankung alles mit sich bringt, denkt man oft selbst, dass das einfach nur eine schlechte Story ist, die sich jemand ausgedacht hat, der nichts zu tun hat und dass sowas im realen Leben doch bestimmt gar nicht so ablaufen kann. Aber Überraschung, das tut es! Aber irgendwie kämpft man sich durch – jedenfalls, wenn man den Willen hat. Und ich habe den Willen, denn ich will Leben bzw. mal mein Leben starten, denn das hab ich ja noch gar nicht wirklich.

Also hielt ich die Chemotherapie aus, die Operationen und bald ging es auch schon zur letzten Etappe meiner zweiten Krebs-Ehrenrunde, nämlich nach Heidelberg zur Bestrahlung…

Teil 18 – Heidelberg

Besser spät, als nie! Mein nächster Teil für den Blog ist endlich da, aber zuerst möchte ich Euch nun über den aktuellen Stand aufklären:

Ich wurde ja bereits im April diesen Jahres wieder einmal an der Lunge operiert, da es einen Verdacht auf neue Metastasen gab, der sich leider auch bestätigt hatte. Nach der Entfernung dieser Metastasen wird nun geschaut, ob man noch eine weitere Therapie für mich entwickeln kann, das muss aber bei einer aufwändigen Tumoranalyse erst herausgefunden werden, sodass ich momentan nur auf die Ergebnisse warte.

Es gibt aber in diesem Jahr sogar auch einmal erfreuliche Nachrichten, die ich Euch mitteilen kann: Ich habe endlich mein Abi in der Tasche!!!

Trotz der vielen Nebenwirkungen und der erneuten Krankenhausaufenthalte habe ich es geschafft, das Schuljahr zu beenden und alle meine Abiturprüfungen erfolgreich zu absolvieren. Jetzt halte ich endlich mein Abschlusszeugnis in den Händen, zwar drei Jahre später, als ursprünglich geplant, aber ich bin überglücklich es nun endlich geschafft zu haben (sogar mit einem ganz guten Durchschnitt ).

So, nun aber zurück ins Jahr 2015, zu dem Punkt, an dem ich das letzte Mal aufgehört habe mit dem Schreiben…

Und zwar war ich an dem Punkt stehen geblieben, als es um den geplanten Aufenthalt in Heidelberg ging, da ich dort bestrahlt werden sollte.

Die Bestrahlung konnte nicht in Berlin stattfinden, da ich eine Form von Bestrahlung brauchte, die noch wesentlich gezielter und genauer ist, als die herkömmliche Bestrahlung, die es in Berlin gibt.

Denn es mussten bei mir ja diese kleinen Löcher hinten im Kreuzbein bestrahlt werden und das musste so exakt wie möglich geschehen, damit die Nerven, die dadurch verlaufen, nicht geschädigt und der Tumor, der sich dort einnistete, so gut wie möglich getroffen wurde.

Schon bevor ich dort mit der eigentlichen Behandlung anfing, musste ich bereits einmal für ein Gespräch mit dem Doktor und für weitere Vorbereitungen nach Heidelberg reisen.

Im Mai 2015 machten meine Mutter und ich uns also auf den Weg dorthin, meine Schwester und mein Vater blieben zuhause, wegen der Schule und der Arbeit.

Wir hatten ein ganz kleines und einfaches Hotelzimmer dort, direkt am Bahnhof, auf den wir direkt aus unserem Zimmer blicken konnten.

Einen Tag nach unserer Ankunft hatten wir dann den ersten Termin im „HIT“ (Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrum). Das Klinikgelände war sehr schön, sehr modern und gepflegt, alles sah eigentlich sehr freundlich aus. Trotzdem war ich nervös, hatte Angst, was mich wohl erwarten würde und wusste jetzt schon, dass ich anschließend für eine ziemlich lange Zeit hierbleiben musste und das wollte ich nicht. Aber das war wieder diese Sache mit der Wahl, ich hatte eh keine.

Wir sprachen dann das erste Mal dort mit dem Arzt des Strahlenzentrums, er erläuterte uns den groben Aufbau des Therapieplans und das weitere Prozedere.

Es wurde auch eine Matte für meinen Körper angefertigt, damit ich in Zukunft immer genau gleich liegen würde bei jeder Bestrahlungssitzung. Das war sehr wichtig, damit auch gewährleistet werden konnte, dass die berechnete Stelle auch genauso bestrahlt wurde, wie sie sollte und kein anderes Gewebe. Dazu legte ich mich auf diese Matte und der Abdruck, den ich auf dieser Matte hinterließ verfestigte sich, sodass ich mich in Zukunft immer so dort reinlegen konnte, um die gleiche Position einnehmen zu können. Zusätzlich wurden mir zwei kleine Punkte in den Rücken tätowiert, die auch als Anhaltspunkt für die richtige Lagerung dienten. Wenn man genau hinschaut, sieht man sie bis heute.

Schließlich wurde nur noch besprochen, welche Chemotherapeutika ich in der Zeit dort bekommen muss, denn meine Therapie bekam ich dort noch parallel zur Bestrahlung.

Somit waren alle Voruntersuchungen und alle Gespräche getan und nach zwei Tagen, die ich mit meiner Mutter dort in Heidelberg verbrachte, ging es erstmal wieder zurück nach Berlin. Ich konnte mir zu dem Zeitpunkt absolut noch nicht vorstellen, dass ich bald für mindestens sechs Wochen dort sein würde. Vor allem die Auswirkungen der Bestrahlung konnte ich mir nicht im Ansatz vorstellen, was auch besser so war, so hatte ich keine große Angst davor und musste alles auf mich zukommen lassen…

Teil 19 – Die erste Bestrahlung in Heidelberg

Kleines Update vorab:

Am 24. September wurde ich schon wieder operiert, da mal wieder ein Schatten bei den Kontroll-Untersuchungen auf der Lunge gefunden wurde. Der Thorax wurde wieder groß geöffnet und der Schatten, der sich natürlich auch wieder als Metastase herausstellte, entnommen. Die OP ist super verlaufen, ich hatte überhaupt keine großartigen Schmerzen und konnte nach vier Tagen auch schon wieder nach Hause.

Jetzt wird mal wieder nach einer neuen Therapie gesucht, es stehen jetzt auch wieder Studien in den USA im Raum. Ob davon aber wirklich etwas infrage kommt, wird nun in verschiedensten Tumoranalysen untersucht. Ich bin gespannt…

Nun endlich mal wieder zurück zu meinem Blog ins Jahr 2015, als ich in Heidelberg war.

Im Juni 2015 ging es dann also für die endgültige Behandlung wieder nach Heidelberg. Ich wollte nicht für sechs Wochen weg. Wäre ich in den Urlaub gefahren, wäre das kein Problem gewesen, aber zur Therapie? Ich hatte absolut keine Lust, vor allem weil ich schon schwach genug war und mit so einem schlechten Allgemeinbefinden ist jeder an den paar freien Tagen, die man außerhalb des Krankenhauses eh nur hat, lieber zu Hause als in irgendeinem Gästehaus auf dem Klinikgelände. Denn dort hatten wir eine Wohnung, oben im 8. Stock. Sie war groß, aber kahl und deswegen anfangs sehr ungewohnt. Aber was muss, das muss. Also fuhren wir (dieses Mal mit dem Auto, um unser ganzes Gedöns für die sechs Wochen mitzubekommen) wieder los, aufgeregt und ge­spannt, wie die Zeit wohl dort werden würde. Und rückblickend war sie beides: schön und schlimm.

das Gute an der ganzen Zeit dort war hauptsächlich diese schöne Stadt. Heidelberg hat eine wunderschöne Altstadt und Fußgängerzone mit ganz vielen tollen Cafés, Restaurants und Geschäften.

Wir haben versucht, alles davon aufzusaugen und so oft es ging dadurch zu schlendern, solange ich irgendwie kriechen konnte. Ziemlich zu Beginn trafen wir eine Frau im Bus, die gerade einen riesigen Teddy in der Stadt gekauft hatte. Er war in einer sehr großen Tüte, deswegen erkannte man erst nicht, was sich darin befand und meine Mutter und ich mussten sehr rätselnd geschaut haben, deswegen kam sie auf uns zu und erklärte uns, dass ihr Neugeborenes im Krankenhaus liegt und der Teddy ein Beschützer sein soll. Meine Mom fand den Teddy und diese Idee dahinter so süß, dass sie ihn mir auch kaufte, als mein Begleiter und Beschützer während der Bestrahlungszeit.

Passend dazu nannte ich ihn „Ted, den Strahlemann“. Zusätzlich machte er unser neues zu Hause wenigstens ein bisschen wohnlicher.

Vor meiner ersten Bestrahlung war ich dann schon etwas nervös. Man sagte mir zwar vorher, dass man von der Bestrahlung an sich nichts mitbekommen und es auch nicht weh tun würde, aber mittlerweile vertraute ich dem, was die Ärzte sagten erst, wenn ich es auch wirklich selber sah. Aber, wie ihr ja wisst, das Thema mit der Wahl war in meinem Fall etwas kritisch , also musste ich auch dieses neue Erlebnis auf mich zukommen lassen.

Wir begaben uns also am ersten Tag der Bestrahlung ins HIT (Heidelberger Ionen Strahl-Therapiezentrum). Wir mussten erst einmal in einem riesigen Warteraum, wenn nicht sogar Wartehalle, Platz nehmen. Alles war sehr modern gestaltet, fast schon kalt. Meine Nervosität machte es auf jeden Fall nicht unbedingt besser.

Als ich dann aufgerufen wurde, musste ich alleine reingehen, Mama sollte draußen im Wartebereich warten. Ich folgte der Ärztin und sie führte mich in den Raum, in dem ich bestrahlt wurde.

Hätte man mir in dem Moment erzählt, dass ich mich nun in einem Raumschiff befinden und gleich zum Mars fliegen würde, hätte ich das wahrscheinlich auch geglaubt und spätestens, als ich dann in meiner vorgefertigten Matte lag, auf dem Tisch, der sich hin und her bewegte, über dem Boden schwebend, welcher plötzlich unter mir auf ging und in dem Raum, der sich dann auch noch anfing um mich herum zu drehen, war ich fest davon überzeugt in kurzer Zeit Bekanntschaft mit den Marsmännchen zu machen. Ich wusste echt nicht, was nun noch alles passieren würde, ich wurde auch vorher von niemandem vorgewarnt, aber zum Glück blieb es dann dabei und nach ca.  zehn Minuten war auch alles schon wieder vorbei und alles, was wirklich unangenehm war, war das starre liegen in dieser harten Matte. Denn wie man das ja so kennt, juckt und pikst immer genau dann irgendwo was, wenn man sich nicht bewegen darf.

Aber ich war froh, dass alles so schnell und problemlos ablief und jetzt musste ich auch keine Angst mehr vor der nächsten Bestrahlung haben.

Teil 20 Und wieder Heidelberg

Ja… so verlief dann die ganze Zeit dort: Einmal am Tag musste ich ins HIT zu meiner Bestrahlung, lag dort meine zehn Minuten in dem Raumschiff und danach war ich fertig. An den Tagen, an denen ich nicht zu schwach war, versuchten wir ein bisschen was von Heidelberg zu sehen, wir waren oft in der Fußgängerzone und sind dort einfach ein bisschen herumgeschlendert. Abends haben wir uns dann meistens gemütlich auf die Couch gelegt und Grey´s Anatomy geguckt – man hat ja noch nicht genug von Krankenhäusern und schlimmen Schicksalen

Allerdings war meine Zeit dort nicht ganz so entspannt, wie es sich im ersten Moment anhört. Ich bekam während meiner Bestrahlung auch noch die letzten Blöcke der Chemotherapie und was vor allem schlimm war, war die Hitze!!!

Es war Hochsommer und ungefähr 40 Grad heiß und das schwächte mich sehr. Ich wurde eh von Tag zu Tag schwächer, weil sich immer mehr die Nebenwirkungen der Bestrahlung zeigten und diese Temperaturen dazu gaben mir dann endgültig den Rest.

Mit der Zeit ging auch die Haut hinten am Kreuzbein an der Bestrahlungsstelle völlig kaputt. Man kann es sich eigentlich vorstellen, wie einen starken Verbrennungsschaden, die Haut wurde erst sehr rot und ging dann irgendwann komplett auf und pellte sich und war schlussendlich eine große offene Wunde, die ziemlich schmerzte.

Erst haben wir (also in dem Fall meine Mutter) die Wunde immer nur großflächig verbunden. Jedenfalls haben wir das versucht, denn die Stelle ist wirklich sehr ungünstig zu verbinden, da sich immer wieder alles löst. Mit großen Tupfern und Pflastern haben wir versucht die Stelle so gut wie möglich abzukleben und zu polstern. Schlussendlich sah ich dann eigentlich aus, wie ein Baby mit einer vollen Windel, aber es ging nun mal nicht anders, allein der Stoff der Kleidung wäre sonst viel zu unangenehm auf der offenen Haut gewesen.

Irgendwann sind wir dann (zum Glück!) auf die schlaue Idee gekommen, uns die heilende Kraft der Aloe Vera zu Nutze zu machen. Wir haben uns einfach eine Pflanze gekauft und immer kleine Stückchen ihrer Blätter abgeschnitten und das Gel, was sich darin befindet auf meine Wunde geschmiert. Und es war unglaublich zu beobachten, wie schnell dieses Gel von meiner Haut aufgesogen wurde. Innerhalb von Sekunden war die Stelle trocken und innerhalb von ein paar Tagen wurde die Wunde schon viel, viel besser. Zusätzlich kühlte das Gel etwas und tat wirklich gut. Das haben wir dann jeden Tag gemacht und so wurde es dann aushaltbar.

Was wirklich schön war, dass auch mein Freund mich in der Zeit dort in Heidelberg besuchen kam. Wir hatten nämlich unseren ersten Jahrestag und ich dachte nicht, dass wir ihn zusammen verbringen würden. Aber er machte sich auf den Weg und stand dann plötzlich voll bepackt bei uns im Apartment, ich habe mich wahnsinnig gefreut!

Wir schauten uns gemeinsam die Stadt an, ich konnte sogar mit ihm und meiner Mutter auf den Königstuhl fahren, den höchsten Berg des Odenwaldes. Mit der Bergbahn sind wir hinaufgefahren und hatten einen wunderschönen Ausblick! Wir konnten sogar zusehen, wie zwei Paraglider von oben gestartet sind, es war wirklich schön und ich habe den Ausflug sogar halbwegs gut durchgehalten und konnte ihn genießen, ich war sehr dankbar für diesen Moment.

Gegen Abend ging es mir dann plötzlich schlechter. Ich entwickelte leichte Temperatur und ich wusste ja, was das hieß: Stieg sie auf die magische Zahl von 38,5 an, musste ich stationär aufgenommen und mit Antibiotika behandeln werden.

Und wie das immer so bei mir war mit dem Glück, ich hatte meistens keins und deswegen bekam ich richtig schön hohes Fieber und musste auf die Station. Ich wollte das nicht. Ich wollte das absolut nicht und weinte nur noch, als ich sah, dass die Zahl bei jedem Mal messen noch weiter hochkletterte. Ich wollte noch einen Abend mit meinem Freund verbringen, bevor er am nächsten Tag wieder nach Berlin fuhr und ich wollte so gerne noch das Schloss, das ich ihm geschenkt hatte, an der einen Brücke mit ihm zusammen anbringen.

Und ich wollte auch so einfach nicht schon wieder ins Krankenhaus zu so einer unnötigen Antibiotikatherapie!!!

Aber es musste sein und deshalb wurde ich noch spät am Abend stationär aufgenommen.

Mein Freund blieb alleine in unserer Wohnung und meine Mutter kam mit mir ins Krankenhaus.

Am nächsten Tag ging es mir vom Fieber her besser, aber ich war immer noch traurig, vor allem, weil mein Freund schon früh wieder los musste und wir uns nicht noch einmal sahen. So hatte ich mir das nicht vorgestellt…

Teil 21 Immer noch Heidelberg

Ende Januar 2020 konnte man Kathi wieder über ganz Berlin verteilt „hängen“ sehen. Dank der WALL AG, durften wir unendgeldlich auf unsere Arbeit im Raum Berlin aufmerksam machen. Und Danke auch an Kathi, die sich als Model zur Verfügung gestellt hat. Aber hier jetzt der nächste Blogeintrag bzw. ein aktuelles Update von Kathi.

Hallo ihr Lieben!

Ich bin zurück mit einem kleinen Update aus meinem Leben: Mein letztes CT, das ich am 05.02.2020 hatte, war glücklicherweise negativ, es wurden keine neuen Metastasen festgestellt. Mit einer neuen Therapie habe ich im neuen Jahr aber trotzdem gestartet. Es ist dem alten sehr ähnlich, setzt aber doch noch einmal an ein paar anderen Stellen an, in der Hoffnung, dass wir damit ein bisschen mehr Erfolg haben und die Metastasen überhaupt nicht mehr wiederkommen! Es hat ähnliche Nebenwirkungen, allerdings spüre ich sie bisher noch nicht so stark, ich hoffe sehr, es bleibt so!!

Eine weitere tolle Nachricht ist, dass ich vor ein paar Tagen endlich meine Zulassung für das Medizinstudium bekommen habe. Ich habe mich wahnsinnig gefreut und bin total aufgeregt, wie alles wird!

So, nun mal wieder zurück in die Vergangenheit… 🙂

Nachdem ich mich also ausgeheult und es akzeptiert hatte, dass dieses Wochenende, auf das ich mich so gefreut hatte, nicht ganz so verlief, wie ich es mir vorstellte, hieß es: Weitermachen!

Die Antibiotika-Therapie war schnell wieder beendet und das Fieber weg und ich konnte ganz normal mit der Bestrahlung weitermachen. Meine Mutter schob mich zwar inzwischen nur noch im Rollstuhl, weil ich mittlerweile überhaupt nicht mehr alleine gehen konnte, aber es war okay. Nachdem ich im Fahrstuhl unseres Apartmenthauses vor Hitze zusammengebrochen war, musste ich mir leider mal wieder vor Augen halten, dass ich nun mal Krebspatientin war und durch diese Therapie keiner wie Superman durchging, auch wenn ich das gerne so wollte.

Aber insbesondere den Rollstuhl hasste ich immer sehr. Ich wusste, dass daran nichts schlimm war, aber ich wusste, wie ich Leute auf der Straße ansah, die im Rollstuhl saßen: mit Mitleid. Und so schaute mich auch jeder an und das wollte ich nicht. Ich wollte kein Mitleid von den Menschen und ich wollte vor allem nicht von jedem angestarrt werden. Ich wusste zwar natürlich, dass das niemals böse oder verspottend gemeint sein würde, aber ich war noch nie die Rampensau, die von allen angeschaut werden musste, dann erst recht nicht, wenn man schwach in seinem sexy Rollstuhl sitzt. Andererseits war es natürlich sehr bequem, man musste nicht selber laufen und konnte sich schön schieben lassen (besonders angenehm war es auf dem Kopfsteinpflaster in der Fußgängerzone von Heidelberg… 😀 )

Schlussendlich verging die ganze Zeit dort in Heidelberg rückblickend doch sehr schnell. Aber in dieser Zeit passierte auch einfach zu viel, um sich zu langweilen.

Und wahrscheinlich war ich auch einfach zu platt, um alles richtig mitzukriegen. Selbst während der Bestrahlung schlief ich immer sofort ein, sobald ich mich an das Prozedere gewöhnt hatte.

Und trotzdem verließ ich Heidelberg am Ende dieser Zeit mit einem weinenden Auge. Mir ging es zwar größtenteils schrecklich, aber trotzdem konnte ich auch schöne Erinnerungen aus dieser Zeit mitnehmen und hatte in einigen Momentan wirklich Spaß. Die Stadt war so wunderschön und sooft es ging, versuchten wir sie zu erkunden. Freunde aus dem Saarland, mit denen ich damals geboren wurde und die ich seit Ewigkeiten nicht gesehen hatte, besuchten mich und auch wir hatten super lustige Momente.

Und auch, wenn ich durch meine ganze Therapie ein komplettes Chemo-Brain habe und so viel vergesse, werde ich diese Zeit nicht vergessen. Denn sie war besonders. Besonders schrecklich, aber auch – in ganz bestimmten Momenten – besonders schön.

Teil 22 Update

UPDATE!!

Ihr Lieben! Endlich bin ich zurück und freue mich so sehr, wieder schreiben zu können. Wie ich Euch im letzten Teil (der mal wieder viel zu weit zurück liegt) erzählt habe, konnte ich mit dem Medizinstudium beginnen, was seit vielen Jahren mein großer Wunsch war.

Ich bin nach wie vor so unglaublich dankbar für diese Chance und hoffe, dass ich erfolgreich sein werde, um eine gute Ärztin zu werden.

Dass das erste Semester ausgerechnet ein „Corona-Online-Semester“ werden musste, war im Nachhinein ja auch irgendwie klar. 😀 Läuft bei mir meistens alles nach Plan? Nein, richtig. 😀

(Aber ich denke, das ist auch noch das kleinste Problem während der Pandemie.)

Aber egal, ich habe versucht, das Beste daraus zu machen, auch wenn das wirklich schwer war. In Berlin ist das Besondere am Medizinstudium ja eigentlich, dass es ein Modellstudiengang ist, was bedeutet, dass man normalerweise (!) von Anfang an ziemlich viel praktisch arbeitet. Darauf habe ich mich eigentlich sehr gefreut, weil ich wusste, dass ich so viel besser lernen und verstehen kann, wenn ich die Theorie auch schon ein bisschen in die Praxis umsetzen kann (vor allem mit meinem Chemo-Brain, wo ich mir doch eh so schlecht Dinge merken kann). Stattdessen saß ich nun 24/7 an meinem Schreibtisch in meinem Zimmer und habe versucht mir mit Hilfe der Online Vorlesungen den Stoff in die Birne zu prügeln, was sich wirklich als Herausforderung rausstellte, da ich mich hier zu Hause einfach absolut nicht konzentrieren konnte. Ich erwischte mich selber dabei, wie ich meinen Kühlschrank zu meinem neuen besten Freund machte und viel mehr Zeit mit ihm und dem Essen, das sich in ihm befand, verbrachte, als es mir eigentlich erlaubt war. Der einzige Vorteil daran war, dass ich endlich mal ein paar Kilo zunahm. 😀

Wie auch immer, das erste Semester ist geschafft, ebenso wie die erste Prüfung, die zum Glück auch ein positives Ergebnis brachte und nun genieße ich ein wenig meine Semesterferien und die viele freie Zeit. Das ist nebenbei bemerkt ziemlich ungewohnt, aber ich beschwere mich natürlich keinen Falls. 😉

Was gibt es sonst noch so Neues? Ich habe mir im Mai eine Sehne an der Hüfte angerissen, das war wirklich eine tolle Aktion. Mir ist leider zu spät eingefallen, dass ich es einfach als Sportverletzung hätte verkaufen sollen, dann hätte es nicht so armselig geklungen. Aber dafür bin ich zu ehrlich. Ich weiß selber nicht, wie man so morsch sein kann, dass man sich einfach nur bückt, eine leichte Hundedecke von der Erde aufhebt und es beim Hochkommen dann so kracht, dass ich erstmal dachte, dass jetzt bestimmt alles gebrochen ist. So hat es sich angehört und so hat es sich auch angefühlt, die Schmerzen waren echt nicht gerade lustig. Nach ein paar Tagen an Gehstützen, die ich aus meiner ganzen vorangegangenen Krankheit selbstverständlich noch besitze, gab es dann Aufklärung vom Arzt, dass nichts gebrochen, sondern eben nur diese Sehne angerissen ist. Ich spüre sie immer noch ein bisschen, aber ich laufe wieder ganz normal (jedenfalls meistens).

Und das Beste kommt ja bekanntlich zum Schluss: Schon die letzten drei CT-Kontrollen der Lunge waren bei mir unauffällig! Das ist mein persönlicher Rekord und ich konnte es die letzten Male selber kaum glauben. Ich weiß natürlich, dass das nichts heißen muss und dass jederzeit wieder etwas wachsen kann, aber es ist jedes Mal ein kleiner Schritt nach vorne, den ich wieder als eine große neue Chance wahrnehme und eine Bestätigung, dass mein positives Denken scheinbar doch der richtige Weg ist.

Meine fancy teure, experimentelle Therapie nehme ich allerdings immer noch und das wird auch erstmal so bleiben. Erst Recht wenn man sieht, dass sie jetzt scheinbar wirkt. Ich hatte jetzt die ganze Zeit ein ziemlich niedrige Dosierung, da ich mit einer höheren zu starke Nebenwirkungen spürte. So langsam steigere ich die Dosierung aber gerade wieder und ich habe schnell gemerkt, dass ich wieder etwas schlapper bin, aber insgesamt kann ich mich wirklich nicht beschweren. Ich versuche mich so viel zu bewegen wie ich kann, ernähre mich gesund und was mir mittlerweile auch absolut heilig ist, ist meine Goldene Milch. Das ist ein Mix aus verschiedenen tollen Gewürzen und das tut mir richtig gut! Also wenn Euch das auch interessiert, googelt das gerne mal oder schreibt mir! Man findet sehr viel dazu im Internet. Ich habe jetzt schon echt tolle Erfahrungen damit gemacht und es gibt auch ganz viele tolle andere Erfolgsstorys im Internet.

Das nun erstmal zu meinem aktuellen Stand. Ich hoffe, Euch geht es soweit gut und vor allem hoffe ich, dass ihr irgendwie durch diese ganze Corona-Zeit kommt und ihr Menschen habt, die Euch unterstützen. Lasst Euch nicht unterkriegen, kämpft weiter und bleibt positiv! Es lohnt sich!

In den nächsten Tagen kommt dann wieder ein kleiner Rückblick, angeknüpft an meinen letzten Artikel, der mit der Zeit in Heidelberg endet!

Eure Kathi! ❤️

Teil 23 Update

30. Oktober 2020

Ihr Lieben!

Ich melde mich (leider) schon wieder mit einem neuen Update. Es ist so toll, wie viele treue Menschen es gibt, die nach wie vor meinen Blog und meine Geschichte verfolgen und ich bekomme immer wieder so rührende und interessierte Nachrichten, dass ich Euch natürlich auch jetzt auf dem Laufenden halten möchte.

Am 9. Oktober hatte ich nach drei Monaten mal wieder eine CT von der Lunge, eine ganz normale Standarduntersuchung zur Kontrolle. Erst sah es so aus, als seien die Bilder unauffällig und frei von Metastasen, die Radiologen äußerten einen Tag später dann aber leider doch einen Verdacht: in der linken Lunge wurde wieder eine Auffälligkeit entdeckt, ca. 1,2 cm groß.

Im Nachhinein ist auch mal wieder aufgefallen, dass die Metastase wohl schon bei der letzten Kontrolle sichtbar war, allerdings nur nicht als besorgniserregend interpretiert wurde, da sie da noch kleiner war… Kein weiterer Kommentar…

Wie auch immer, ein paar Tage später folgte eine Bronchoskopie in einer kurzen Narkose und mit einem kurzen stationären Krankenhausaufenthalt, bei der eine Probe von der Stelle entnommen wurde, um abzuklären, worum es sich bei der netten Auffälligkeit handelt. Mir ging es zwar kurz danach nicht so richtig gut, nach einer Nacht mit ausreichend viel Schlaf war aber alles wieder in Ordnung.

Schon ziemlich schnell bekam ich das Ergebnis und es bewahrheitete sich leider, dass es sich mal wieder um eine Metastase handelt. Das ist dann somit mein 6. Rezidiv.

Nun sitze ich seit ca. zwei Wochen wie auf Kohlen, weil immer noch hin und her überlegt wird, was wir nun am besten als therapeutische Maßnahme wählen. Zur Auswahl steht 1. eine Operation, bei der wahrscheinlich der ganze linke Lungenunterlappen entfernt werden müsste, weil die Metastase einfach so doof liegt, oder 2. eine Form von Bestrahlung, „CyberKnife“ genannt – die etwas schonendere Variante.

Das haben bestimmt schon einige von Euch gehört. Wenn nicht, könnt ihr es mal googeln, das Prinzip ist echt interessant.

Allerdings müssen sich, um alle Vor- und Nachteile richtig abzuwägen, erst alle Spezialisten an einen Tisch setzen und das war bisher noch nicht möglich, weil sich gefühlt die Hälfte aller wichtigen Menschen noch im Urlaub befindet, sodass ich eine Entscheidung wahrscheinlich erst am Montag bekomme.

Ich bin sehr gespannt und dieses Mal auch deutlich aufgeregter, als die letzten Male. Mal schauen, was die nächste Zeit bringt. Ich werde Euch auf dem Laufenden halten und wünsche Euch nach wie vor ganz viel Gesundheit und Kraft, um durch diese Zeit zu kommen.

Eure Kathi!

Teil 24 (1) Update

20. Februar 2023

Über zwei Jahre ist es her, dass ich mich das letzte Mal hier gemeldet habe. So oft wollte ich etwas schreiben, aber entweder hat mir die Erinnerung oder die Zeit gefehlt. Oder beides.

Aber obwohl ich nun schon so lange gar nichts mehr von mir habe hören lassen, kamen doch immer wieder so viele liebe Nachrichten mit so vielen persönlichen und berührenden Gedanken von Euch, wofür ich mich an dieser Stelle ganz herzlich bedanken möchte. Es ist bewundernswert, wieviele an einen denken und einem immer wieder aufs Neue Kraft schicken, obwohl sie einen nicht einmal kennen. Und genauso faszinierend finde ich, wieviele Menschen doch immer wieder meinen kleinen Blog entdecken und selbst Kraft daraus ziehen können, das ist ein sehr schönes Gefühl.

Bevor ich mich daransetze, endlich mal wieder eine Fortsetzung zu der Zeit von damals zu schreiben, möchte ich Euch erstmal erzählen, was in der letzten Zeit so los war, denn da gibt es einiges.

Ich hatte ja im Sommer 2020 mit meinem Medizinstudium angefangen, war überglücklich, dass ich diesen Studienplatz bekommen habe, hatte mein erstes Semester und die erste Prüfung geschafft und habe dann auch noch die folgenden drei Semester gemacht. Das Studium war die meiste Zeit sehr anstrengend für mich. Das viele Lernen überwiegend vom PC Zuhause aus hat dem schönen Studium leider viel genommen und man musste sich die meiste Zeit ziemlich zusammenreißen, um sich zu motivieren. Aber irgendwie ging es und mit der Zeit kamen nach und nach auch ein paar Kurse dazu, die in Präsenzlehre stattfanden und dann hat es auch endlich angefangen, richtig Spaß zu machen.

In dieser Zeit hatte ich aber leider wieder neue Metastasen und musste, nachdem ich bereits schon das letzte Mal an der Lunge bestrahlt wurde, wieder mit dem CyberKnife behandelt werden. Die Therapie an sich war nicht wirklich anstrengend. Von der Bestrahlung an sich habe ich nichts gemerkt. Natürlich ist man erschöpft und müde, aber da gibt es schlimmere Nebenwirkungen. Mir ging es auf jeden Fall so gut, dass ich nebenbei meine Uni machen konnte (war ja eh alles nur online )

Leider fing sich dann aber danach mein Allgemeinzustand an zu verschlechtern. Schon ziemlich bald entwickelte sich chronischer Husten und vor allem Atemnot, die langsam immer stärker wurde und die auch leider mal wieder nicht von Anfang an wirklich ernst genommen wurde.

Das Ganze zog sich über Wochen, immer wieder wurde ich mit Cortison behandelt, immer wieder wurden CTs und Röntgenbilder von der Lunge gemacht. Es hieß, es handelte sich wahrscheinlich um eine strahlendbedingte Lungenentzündung. Mittlerweile war die Atemnot so schlimm, dass ich zuhause kaum zu uns in den zweiten Stock gekommen bin, weil mich die Treppen so überfordert haben. Genauso schlimm war die Treppe zur S-Bahn, wenn ich morgens zur Uni musste, es hatte nämlich inzwischen die Präsenzlehre gestartet. Ich habe mir bereits Strecken herausgesucht, bei denen ich die Gleise auch mit einem Fahrstuhl oder einer Rolltreppe erreichen konnte, weil es anders nicht mehr ging.

Eine große Herausforderung war dann die Treppe zu dem alten Hörsaal, in dem ich am 11. Februar letzten Jahres noch meine Semesterabschlussprüfung geschrieben habe. Ich habe es gerade so dorthin geschafft, irgendwie diese Prüfung geschrieben und bin danach dann irgendwann völlig atemlos zuhause in mein Bett gesunken.

Bis zu diesem Zeitpunkt ging es mir zwar nicht gut, aber irgendwie war diese Atemnot mittlerweile normal geworden und ich hatte die Hoffnung, dass wenn die Wirkung der aggressiven Bestrahlung irgendwann nachlässt, selbstverständlich auch die Atemnot wieder besser wird. Ehrlich gesagt war ich (mal wieder völlig unbegründet) einfach davon ausgegangen.

Wie unbegründet das war, lernte ich dann am nächsten Abend. Ich hatte schon die letzte Nacht nicht gut geschlafen, zum Teil nur im Sitzen, da ich keine Luft bekam, außerdem hatte ich zwischendurch starke Schmerzen in den Beinen und meine Knie waren ziemlich dick. Das hatte sich nicht geändert und meine Mutter machte sich bereits ziemliche Sorgen. Sie meinte, sie würde diese Nacht mal ihr Handy anlassen, damit ich sie anrufen könnte, falls etwas ist.

Und wie das Leben so spielt hatte sie sich gerade von mir verabschiedet und sich ins Bett gelegt und auch ich legte mich gerade hin, als ich merkte, dass ich noch einmal husten muss. Ich merkte aber sofort, dass was anders war. Sonst war das ein sehr trockener Husten und plötzlich brodelte meine ganze Lunge. Was ich dann sah war nur noch Blut. Ich hustete und hustete und es kam immer mehr und mehr Blut und für eine Weile konnte ich gar nicht so schnell abhusten, wie neues Blut kam. Ich hatte das Gefühl, langsam würde meine ganze Lunge volllaufen. Und das war der erste Moment in meinem Leben, in dem ich Todesangst hatte. Ich kannte dieses Gefühl nicht. Klar habe ich seit vielen Jahren Angst um mein Leben, weil ich nun mal schwer krank bin, aber das ist etwas anderes. Todesangst hatte ich noch nie und hätte auch gerne darauf verzichtet zu erfahren, wie es sich anfühlt.

Ich drückte schnell die Kurzwahl meiner Mutter, die sofort angerannt kam und dann versuchten wir dieses ganze Blut aufzufangen, meine Schwester rief den Krankenwagen und dann ging alles relativ schnell. Wie panisch und voller Angst meine Mutter war, war nicht zu übersehen und überhören. Ich wollte sie so gerne beruhigen, aber ich war zu nichts in der Lage. Alles was ich herausbrachte war ein “Ich werde nicht sterben” und dann kam auch bald die Rettung. Ich bekam direkt eine Adrenalin-Inhalation und dann wurde die Blutung endlich besser. Unten im Rettungswagen hatte ich das erste Mal seit Wochen das Gefühl, wieder richtig atmen zu können.

Zum Glück hatte die Inhalation erstmal geholfen, denn wir standen bestimmt noch 20 Minuten bei uns auf dem Parkplatz und warteten auf das Ok einer Rettungsstelle, dass sie mich annehmen. Alle waren voll, nirgends war Platz, erst recht nicht auf den Intensivstationen. Irgendwann hatte sich dann endlich was gefunden und dann ging es auch sofort mit Blaulicht los.

Es folgten anstrengende Tage voller Angst und mit vielen Qualen, aber die geplatzten Gefäße konnten verschlossen und die Blutungen endgültig zum Stillstand gebracht werden.

Ich war zwar noch einige Tage zur Regeneration und Beobachtung dort und es dauerte eine ganze Weile, bis ich wieder auf den Beinen war, aber ich war einfach nur unglaublich froh, dass dieser Albtraum ein gutes Ende genommen hatte.

Allerdings hatte man in der Bronchoskopie, bei der die Blutungen gestillt wurden, gesehen, dass das Lungengewebe ziemlich nekrotisch aussieht und das wahrscheinlich durch die viele Bestrahlung in Kombination mit meinen ganzen Medikamenten so entstanden ist.

Das ließ in mir natürlich etwas die Angst aufkommen, dass etwas ähnliches noch einmal passieren könnte, aber darüber wollte ich zu dem Zeitpunkt nicht weiter nachdenken.

Ich wurde also irgendwann wieder entlassen und versuchte zuhause wieder auf die Füße zu kommen,  nicht nur körperlich, auch psychisch hatte ich noch einiges zu verarbeiten. Das merkte ich z.B. daran, dass ich unglaubliche Panik bekam, wenn ich mit dem Rollstuhl, in dem ich aufgrund meiner Schwäche saß, über Kopfsteinpflaster fahren musste. Ich hatte tierisch Angst, dass durch die Erschütterung wieder etwas platzen und es erneut bluten könnte.

Teil 24 (2) Update

Teil 2

Viel Zeit für die Erholung blieb mir aber nicht, denn schneller als ich es je geglaubt hätte, trat genau das ein, was ich befürchtet hatte.

Es war der 8. März, meine Schwester und ich waren zuhause, meine Mutter bei der Arbeit. Wie aus dem nichts kam wieder plötzlich dieser komische Husten und ich wusste sofort, was ich gleich sehen würde: Blut.

Ich lief so schnell ich konnte ins Bad, um dieses Mal nicht wieder mein ganzes Bett rot zu färben. Jetzt durften nur Waschbecken und Toilette daran glauben, wo ich hing, bis dieses Mal der Krankenwagen kam, den meine Schwester wieder rief. Meine Mutter war auch sofort informiert und noch vor den Rettungskräften zuhause.

Es ging also wieder alles von vorne los. Eine Fahrt mit Blaulicht in die Notaufnahme, wieder auf die gleiche ITS, dann sollte wieder eine Bronchoskopie gemacht werden, um zu schauen, wo die Blutung dieses Mal herkommt und die Ursache zu beheben.

Und ab da habe ich dann für eine ganze Weile nichts mehr mitbekommen…

Es kam nämlich zu einigen Komplikationen, es gab erneute starke Blutungen in der Lunge, die nicht mehr gestoppt werden konnten und so blieb den Chirurgen nichts anderes übrig, als mir die gesamte rechte Lunge zu entfernen. Laut Operateur war der rechte Hauptbronchus so kaputt, dass er ihm bereits in den Händen zerfallen ist. Es war also wirklich nichts mehr zu retten.

In die übrig gebliebene linke Lunge holte ich mir eine schöne dicke Lungenentzündung, ein Rechtsherzversagen kam auch dazu und eigentlich war mein Körper ziemlich am Ende. Zu dem Zeitpunkt waren die Ärzte daher ziemlich davon überzeugt, dass es das jetzt war und waren bereit, die Geräte abzustellen. So aber nicht meine Familie. Vor allem meine Mutter flehte die zuständige Ärztin immer wieder an, mich an die ECMO anzuschließen, erst ohne Erfolg.

Aber sie gab nicht auf und versicherte ihr, dass ich das so wollen würde, weil sie mich kennt und genau wüsste, dass ich alles menschenmögliche versuchen würde, wenn es auch nur eine winzig kleine Chance gibt, dafür weiterzuleben. Und damit hatte sie verdammt Recht und dafür, dass sie in dem Moment so für mich gekämpft hat, werde ich ihr immer dankbar sein.

Schlussendlich ließen sich die Ärzte also überreden und schlossen mich tatsächlich an die ECMO an, machten meiner Familie aber trotzdem nicht viel Hoffnung.

Ich lag schlussendlich also knapp vier Wochen im künstlichen Koma, angeschlossen an die ECMO und an ca. 30 verschiedene Medikamente, die ich i.v. durch einen ZVK bekam, zusätzlich hingen gefühlt tausend weitere Schläuche aus mir raus, die auch noch blieben, als sie mich irgendwann langsam wach werden ließen. Die ECMO wurde ich glaube ich nach knapp 8 Wochen wieder los und entwickelte so gute Werte, wie es kein Arzt gedacht hätte.

Anfangs konnte ich mich zwar noch kaum rühren, aber das wurde mit der Zeit alles schrittweise besser. Erst habe ich es geschafft mit Unterstützung im Bett zu sitzen, irgendwann konnte ich mich sogar mit Hilfe in einen Sessel hieven und als das Wetter wieder schöner wurde sind die Schwestern und Pfleger sogar ab und zu mit mir im Rollstuhl rausgegangen an die frische Luft. Es war jedes Mal ein ganz schöner Aufwand, da ich seit dem Koma eine Trachealkanüle habe, über die ich künstlich beatmet werde, d.h. die Beatmungsmaschiene und das ganze Zubehör muss immer mitgeschleppt werden, aber es war jedes Mal ein riesiges Geschenk, wenigstens die Bäume und Blumen vom Krankenhausgelände zu sehen.

Jetzt möchte ich hier aber nicht alles im Detail erzählen, dann kann ich noch 10 Seiten schreiben und werde wahrscheinlich trotzdem nicht fertig.

Ich war schlussendlich knapp ein halbes Jahr auf der Intensivstation, habe nach und nach kleine Fortschritte gemacht und angefangen, langsam meine Lunge zu trainieren, damit ich eines Tages hoffentlich wieder von der Beatmung wegkomme und alleine atmen kann.

Leider kamen mir immer wieder Infekte und Lungenentzündungen dazwischen, weshalb ich noch nicht so weit gekommen bin, wie man es sich erhofft hat. Deswegen bin ich aktuell zuhause, um mich zu erholen, habe hier einen 24-h-Pflegedienst, der mich betreut und wenn ich wieder „fit“ bin, soll es zurück ins Krankenhaus zum Weaning, also zur Beatmungsentwöhnung gehen.

Nachruf Katharina Pohlenz

Katharina Pohlenz, Medizinstudentin, Bloggerin und tapfere Kämpferin, ist am 31. Dezember 2023 nach einer wiederkehrenden Krebskrankheit verstorben.

Diese traurige Nachricht zu Beginn des neuen Jahres hat uns sehr überrascht und macht uns fassungslos. Seit vielen Jahren hat Kathi uns an ihren Erfahrungen teilhaben lassen, die wir in Form eines Blogs auf unserer Website veröffentlicht haben. Dadurch hat Kathi es geschafft, mit zahlreichen anderen Betroffenen und auch Nicht-Betroffenen Menschen in den Austausch zu treten und diesen Mut zu machen.

Bereits mit 12 Jahren wurde Kathi mit der Diagnose „Knochenkrebs“ konfrontiert und hat einige Rezidive erfolgreich bezwingen können. Dies führte letztendlich zu ihrer Entscheidung mit 19 Jahren ihre Erfahrungen in die Öffentlichkeit herauszutragen. In ihren Blogartikel hat sie neben medizinischen Themen auch viel über das Leben und die kleinen Momente teilen können, die oftmals sehr viel wichtiger waren, als viele schnell annehmen.

Nach einigen Jahren der Pause kam es in den letzten beiden Jahren jedoch wieder zu neuen Metastasen gegen die Kathi neben ihrem Medizinstudium mit allen Mitteln ankämpfte. Leider ging es dieses Mal anders aus.

Wir sind unendlich traurig und in diesen schweren Stunden in Gedanken auch bei Kathis Mutter und ihrer Schwester und wünschen ihnen alle Kraft der Welt!

In tiefer Trauer nehmen wir Abschied von der wundervollen Kathi, deren Leben von tapferem Kampf und unerschütterlichem Mut geprägt war. In Erinnerung bleibt ihre junge Seele, die mit ihrer Stärke und ihrem Lächeln in schweren Zeiten zahlreiche Menschen inspirierte und Kraft schenkte.