Nach der Trauerfeier formte sich auf dem Kirchhof der Zug der Trauernden, die sich hinter dem Bestattungswagen einreihten. Kurz bevor wir die Straße erreichten, sperrten einige Streifenpolizisten die Straße. Für eine ganze Weile ruhte ab diesem Moment der Verkehr in Kladow. Ein kleiner Junge kam mit großen Augen aus einem Geschäft gelaufen, zeigte auf den Trauerzug und wandte sich fragend an die Mutter. Eine ältere Dame schlug ein Kreuz vor ihrer Brust. Ein uniformierter Soldat stand mit verschränkten Armen am Straßenrand und beobachtete das Geschehen.
Mir wurde sehr feierlich zumute. Es war, als würde die Welt kurz den Atem anhalten. Auch unbeteiligte Menschen hatten die Chance kurz innezuhalten. Zum ersten Mal erlebte ich heute einen Trauerzug, der nicht nur von der Kapelle durch die Abgeschiedenheit des Friedhofs zum Grab führte. Dieser Trauerzug führte mitten durch das pralle Leben. Eisdiele, Discounter, Friseursalon, Fahrschule, Restaurant, Bibliothek und Bank. Egal, wo die Menschen gerade waren und womit sie sich gerade beschäftigt hatten: Für einen kurzen Moment wurden sie herausgerissen aus ihrem Alltagsgeschehen. Wer wollte, konnte die Szenerie als Einladung ansehen, sich kurz der eigenen Endlichkeit bewusst zu werden. Vielleicht das Leben, dass uns allen nur auf Zeit geschenkt ist, kurz ein wenig intensiver zu „erleben“.
Zu oft sind Sterben und Tod in der heutigen Welt strickt vom Leben getrennt. So als sei alles, was mit dem Tod zusammenhängt eine Beleidigung für das Lebendige, Moderne, Gesunde, Sportliche und Schöne in dieser Welt. Dass das Ende des Lebens zum Leben dazu gehört, das wurde heute in Kladow kurz in aller Öffentlichkeit für alle offenbar. Ich bin dankbar, dass ich dieses letzte Stück des Weges mit Barbara Schulz gehen konnte und fuhr sehr bewegt nach Hause.
Anja Gumprecht